29
September
2015
|
12:04
Europe/Amsterdam

Bedürfnisse der Menschen bei energetischer Sanierung bislang zu wenig berücksichtigt

Velux spricht sich für bewohnerfreundliche „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ aus

Um die Klima- und Energieeffizienzziele der Bundesregierung bis 2050 zu erreichen, muss der heutige Gebäudebestand tiefgehend verändert werden. Ein derartiger Wandel unserer Lebens- und Wohnumwelt erfordert unbedingt die Akzeptanz und die Mitwirkung der Bürger.

„Die bisherige Fokussierung bei der energetischen Sanierung auf Energieeinsparungen hat bisher keine ausreichende Sanierungsbereitschaft zur Erreichung der Klimaziele geschaffen. Dabei sind die Deutschen bereit, für gute Wohnqualität und Wohngesundheit Geld auszugeben. Unser Lösungsvorschlag für die stockende energetische Sanierung ist es daher, dem Bauherren und Bewohner ein attraktives Gesamtpaket aus Energieeffizienz und Wohnqualität zu schnüren. Nur so können wir die Akzeptanz sichern, und die Klimaziele ohne erhebliche ordnungsrechtliche Eingriffe erreichen.“, erklärt Till Reine, Leiter Public Affairs, Velux Deutschland GmbH.

Um die Anforderungen der Menschen an Wohngebäude und ihre Beweggründe für Renovierungen zu verstehen, hat Velux eine europaweite Umfrage unter 12.000 Bürgern zu Einstellung und Verhalten in Bezug auf Umweltauswirkungen, Energieverbrauch und Komfort ihres Zuhauses durchführen lassen. Das Healthy Homes Barometer 2015 liefert das klare Ergebnis, dass der Lebensraum „Zuhause“ den Deutschen für Wohlbefinden und Gesundheit extrem wichtig ist. Für die Menschen in Deutschland sind guter Schlaf, Tageslicht und frische Luft in ihrem Zuhause, die drei wichtigsten Kriterien, die dazu beitragen, gesund zu bleiben. Damit sind diese mit dem Wohnbereich zusammenhängenden Einflüsse für die Deutschen sogar wichtiger als Nichtrauchen, ausreichende Bewegung oder gesunde Ernährung. Dieses Umfrageergebnis erklärt die hohe Handlungs- und Investitionsbereitschaft für das gute Wohnen.

Dass Wohnkomfort und Wohngesundheit mit höchsten Ansprüchen an Energieeffizienz vereinbar sind, hat Velux bereits mit seinen Model Home 2020 Projekten bewiesen. Die sechs Konzepthäuser in fünf europäischen Ländern genügen bereits heute den voraussichtlichen Energiestandards von 2020 und bieten den Bewohnern gleichzeitig höchste Wohnqualität, indem sie die natürlichen Elemente Licht und Luft in den Mittelpunkt stellen. Unter dem Namen RenovActive führt Velux derzeit in Brüssel ein Projekt im sozialen Wohnungsbau durch, um die finanzielle und technische Skalierbarkeit seiner nachhaltigen und zukunftsfähigen Sanierungen zu zeigen.

Das deutsche Healthy Homes Barometer 2015 steht unter folgendem Link zum Download bereit: http://bit.ly/1jpzzlm

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Hintergrund

Velux Stellungnahme zur energetischen Gebäudesanierung

Ein Beitrag zur Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG) der Bundesregierung

Die Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG), die im November 2015 vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, wird die Maßnahmen und Instrumente definieren, die zur Erreichung der Klima- und Energieeffizienzziele der Bundesregierung im Gebäudebereich nötig sind. Velux unterstützt die ESG Eckpunkte, die gleichermaßen den Funktionen der Gebäude und den Bedürfnissen der Bewohner Rechnung tragen.

Allerdings werden bisher wesentliche Zusammenhänge in der öffentlichen Debatte um Energieeffizienz in Gebäuden unzureichend beleuchtet. Klimaneutrale Gebäude funktionieren erst erfolgreich durch das richtige Zusammenspiel der Faktoren Energie, Umwelt und Mensch. Dabei ist den Bürgern Energiesparen zwar wichtig, aber für den Großteil kein ausreichender Anreiz, um in energetische Gebäudesanierung zu investieren.

Eine Verbesserung des Wohlbefindens und der Wohnqualität, der Komfort, Wohngesundheit, Kosten, Funktionalität und Energieverbrauch umfasst, sind hingegen die Gründe für Bürger, aktiv zu werden und Geld aufzuwenden. Nur wenn diese Umstände bei der Erarbeitung der ESG berücksichtigt werden, scheint es möglich, die Klimaziele 2050 ohne erhebliche ordnungsrechtliche Eingriffe zu erreichen.

 

I. Herausforderungen der energetischen Sanierung

Aus einer Vielzahl von Faktoren gibt es drei Kernherausforderungen, weshalb die energetische Sanierung des Gebäudesbestandes in Deutschland stockt:

- Sanierungsqualität

Die jährliche Sanierungsquote liegt mit 0,8 bis 1,0 % p.a. weit unter dem Zielwert von mindestens 2,0 %[1]. Eine hohe Sanierungsquote ist für sich allein betrachtet jedoch kein Wert, der Deutschland den Klimazielen näher bringen würde. Erst zusammen mit einer notwendigen Sanierungstiefe entsteht ein im Sinne der Ziele der Bundesregierung „nahezu klimaneutrales“ Gebäude[2].

- Wirtschaftlichkeit

Die weit verbreiteten Teilsanierungen, fokussieren sich nur die leicht zu realisierende Energieeinsparungen („low hanging fruits“). Damit wird meist der Grundsatz der langfristigen Wirtschaftlichkeit verletzt. Um ein klimaneutrales Gebäude zu erreichen, sind weitergehende Sanierungen notwendig, deren Einsparpotenzial aufgrund der bereits erfolgten Teilsanierung geringer ist und die aufgrund der niedrigeren Refinanzierung noch weniger wirtschaftlich sind. Daher kann die momentan erzielbare Rendite kein ausreichender Anreiz zur Entstehung eines klimaneutralen Gebäudebestands sein.

- Bezahlbarkeit

Die Kosten zur Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 liegen bei etwa der Hälfte der Neubaukosten.[3] Laut Einschätzung des BMWis müssen ca. 600 €/m² aufgewendet werden, um Gebäude, die bis in die 80er Jahre gebaut wurden, entsprechend den Klimazielen zu sanieren.[4] Davon ausgehend käme auf die Mieter eine monatliche Modernisierungsumlage von 5,50 €/m² zu. Bei einer Wohnung von 60 m2 bedeutet das 330 € Mietaufschlag pro Monat bedingt durch Modernisierungskosten.

Im Ergebnis leidet die öffentliche Akzeptanz von Gebäudesanierungen, die Klimaziele werden verfehlt.

 

II. Velux Vorschläge

Für die Finanzierbarkeit des erforderlichen Investitionsumfangs ist eine abgestimmte Gesamtplanung erforderlich, die auch dazu beitragen wird, dass die Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreicht werden können. Es müssen daher die Weichen dafür gestellt werden, dass nach Möglichkeit jeder Euro sinnvoll investiert wird:

 

1. Gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne sind der Schlüssel zum klimaneutralen Bestand

Gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne sind das entscheidende Hilfsmittel, um Investitionen sinnvoll und mit maximalem Effizienzergebnis zu steuern. Sie definieren sowohl auf Ebene des einzelnen Gebäudes als auch für die Gesamtheit des Gebäudebestands die notwendigen Investitionen hin zur Klimaneutralität.

Teilsanierungen oder Einzelmaßnahmen erfüllen daher ausschließlich das Ziel der Energieeinsparungen, aber können im Sinne der Klimaziele für 2050 kontraproduktiv sein, wenn sie nicht mit dem notwendigen Gesamtsanierungspaket zur Klimaneutralität abgestimmt werden. Daher sind gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne das stärkste Instrument zur Versachlichung und stärkeren Umsetzung der Sanierung des Gebäudebestands.

Fazit: Die Erstellung der Sanierungsfahrpläne muss oberste Priorität haben, da abgestimmte Gesamtfahrpläne anstelle weiterer ordnungspolitischer Verschärfungen der Weg hin zum klimaneutralen Gebäudebestand sind.

 

2. „Gutes Wohnen“ steigert die Akzeptanz für die energetische Sanierung

Die Debatte über die Sanierung unserer Wohnungen und Häuser ist derzeit vom Leitbild der maximalen Energieeinsparung und deren Wirtschaftlichkeit dominiert. Dieser Fokus verstellt den Blick auf die Frage, wie wir zukünftig wohnen wollen und verkennt die dafür notwendigen Motivationen zur Sanierung, die durch reine Renditebetrachtung nicht adressiert werden.

Die Energiewende im Gebäudebestand kann nur gelingen, wenn nach einer Sanierung das Wohlbefinden der Menschen im Haus steigt. Denn für große Teile der Bevölkerung ist das reine Energiesparen kein Anreiz zur Sanierung. Eine von Velux erstmals für 2015 beauftragte europaweite Umfrage – das Healthy Homes Barometer – belegt, dass für die Bürger neben den Energiekosten die Fragen nach Komfort, Funktionalität der Räume und Raumluftqualität mindestens gleichbedeutend sind.[5] Erst zusammen mit einem Zugewinn an Wohnqualität entstehen die nötigen Anreize, um Menschen für energieeffizienzte Häuser zu begeistern.

Fazit: Bei der Erarbeitung einer politischen Strategie für die Gebäude der Zukunft müssen alle Wohnbedürfnisse (Wohngesundheit, Komfort, Funktionalität, Kosten, Energieverbrauch, Umweltauswirkungen) gleichermaßen Berücksichtigung finden.

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[1] Bundeswirtschaftsministerium, Sanierungsbedarf im Gebäudebestand (2014), S. 5, abrufbar unter: http://bit.ly/1Jpm4a6

[2] Vgl. Institut Wohnen und Umwelt (IWU), Kurzgutachten zu einem Sanierungsfahrplan im Wohngebäudebestand (2012), S. 7f, abrufbar unter: http://bit.ly/1iLOc2r

[3] Vgl. z.B. Statistisches Bundesamt, Baugenehmigungen / Baufertigstellungen Baukosten, Lange Reihen z. T. ab 1962, (2014), abrufbar unter: http://bit.ly/1IQ40b5

[4] Bundeswirtschaftsministerium, Sanierungsbedarf im Gebäudebestand (2014), S. 13

[5] Vgl. VELUX Healthy Homes Barometer (2015), S. 31, abrufbar unter: http://bit.ly/1jpzzlm