01
Oktober
2012
|
14:58
Europe/Amsterdam

Eine schwindelerregende Aktion

Der Standort der ‚Le Refuge du Goûter‘ ist atemberaubend. Denn nur eine Hälfte der Hütte liegt auf dem Fels, die andere schwebt quasi über dem Abgrund und erlaubt einen Blick in die Tiefe. Den äußersten Rand des Bergkamms als Standort bestimmten mehrere Faktoren. Hier war die Qualität des Felsens gut genug, um die Fundamente sicher zu verankern und zudem musste im schneefreien Gelände gebaut werden, das aufgrund der vorwiegend vorherrschenden Westwinde hier am ehesten gegeben war. Die Windrichtung wurde zudem bei der Ausrichtung des Gebäudes berücksichtigt denn der Schnee sollte sich später auf der Ostseite des Gebäudes sammeln, die auf dem Fels errichtet wurde. Bei der Wasserversorgung des Gebäudes spielt der Schnee eine wesentliche Rolle: Er wird durch Sonnenenergie geschmolzen und in einem bis zu 20.000 Liter fassenden Speicher gesammelt. ‚Le Refuge du Goûter‘ sollte nicht nur im Betrieb möglichst energieeffizient, sondern auch hinsichtlich Ökobilanz vorbildlich sein – also möglichst wenig Energie bei Bau, inklusive dem Materialtransport, und späterem Rückbau verbrauchen. Da ein Helikopter, dessen maximale Tragkraft auf 500 Kilogramm beschränkt war, die einzige Möglichkeit für den Transport zur Baustelle darstellte, galt es, möglichst wenig Material zu verbrauchen. Dies war ein wesentlicher Faktor bei der Entwicklung des Entwurfs und der Entscheidung für eine Konstruktion aus Brettschichtholz. Rund 150 Tonnen Holz wurden insgesamt am Gebäude verbaut. Alle Bäume wurden nach dem Fällen per Ultraschall und Scanner geprüft, um sicherzustellen, dass nur die am gleichmäßigsten gewachsenen beim Bau der Hütte zum Einsatz kommen. So konnte die Tragkonstruktion möglichst schlank gehalten werden: Bis zu 60% Material sparten die Ingenieure auf diese Art bei den Brettschicht-Holzträgern im Vergleich zu Standard-Holzträgern. Die Gebäudehülle wurde dann als Holz-Leichtbaukonstruktion in Segmenten vorgefertigt und per Helikopter zur Baustelle geflogen. Da der Mont Blanc häufig als das Dach Europas bezeichnet wird, lag es für die Architekten wohl nahe, dort Velux Fenster einzubauen. Nach der Kontaktaufnahme sammelte und überprüfte der Dachfensterhersteller zunächst sorgfältig alle Daten. Schließlich galt es zu klären, ob das Unternehmen Fenster und Dreifachverglasung herstellen kann, die den Klima- und Wetterbedingungen in 3.800 Meter Höhe standhalten, wo Windstärken von bis zu 300 km pro Stunde auftreten. Velux entschied sich für eine speziell für dieses Projekt angefertigte Dreifachverglasung mit einer zusätzlichen 8 mm starken Glasschicht als Klimaschutz. Die Lösung waren Dachfenster, die nicht nur den Spezifikationen der Architekten entsprachen, sondern auch für natürliche Belüftung und viel Tageslicht im Gebäude sorgten. Gespräche mit den Architekten über die Außenwände des Gebäudes und die Vorteile natürlicher Belichtung führten sogar zu einer Vergrößerung der Fenster im Schlaf- und Speiseraum. Das Velux Team bei diesem Projekt bestand aus neun Fachleuten – acht Mitarbeiter aus Frankreich und einen aus Dänemark von der Velux Gruppe, der die Scheibenmontage beaufsichtigte. „Wir mussten uns alle zuerst einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, um sicherzustellen, dass wir fit genug sind, auf über 3.800 Metern in Kälte und dünner Luft zu arbeiten“, beschreibt Jakob Swane Lund von der Velux Gruppe die Herausforderung bei der Arbeit unter solch extremen Bedingungen. Allein die paar hundert Meter von dem alten Haus, in dem sie wohnten, bis zur Baustelle stellten eine Herausforderung dar. „Wir hatten Spikes an den Schuhen und brauchten manchmal Eispickel, um dorthin zu gelangen. Manche von uns litten ein bisschen an Höhenkrankheit. Ich habe noch nie unter solch extremen Bedingungen gearbeitet. Schon bei der geringsten Anstrengung waren wir außer Atem. Aber die Landschaft dort oben ist atemberaubend! Es war ein tolles Erlebnis“, erklärt Lund. „Wegen der besonderen Bauweise mussten die Scheiben von außen montiert werden. Wir mussten auf einem Gerüst arbeiten, von dem aus es 800 Meter in die Tiefe ging. Wir nutzten also jede erdenkliche Sicherheitsausrüstung“, fügt Jakob Swane Lund hinzu. Der Teil der Bauarbeiten, an denen das Velux Team beteiligt war, wurde in drei Phasen durchgeführt. Zunächst wurden die 55 Fenster, bei denen die Scheiben durch Sperrholzplatten ersetzt wurden, an den Schreiner geliefert, der sie in die vorgefertigten Elemente einbaute. In der zweiten Phase wurden die Dreifachglasscheiben per Helikopter zur Baustelle geflogen, wo sie eine Woche gelagert wurden, damit sie sich an den atmosphärischen Druck in dieser extremen Höhe anpassten. In der dritten Phase wurden die 55 Scheiben nach Fertigstellung der Holzkonstruktion in die Fenster eingebaut.  

Bautafel
 
Bauherr: Club Alpin Francais, Paris
 
Architekten: Groupe H, Paris; Décalage Architecture, Chamonix
 
Holzbauingenieur: Charpente Concept, Paris
 
Fenster: Velux     

 

Der Bau der Hütte am Mont Blanc war in jeder Hinsicht ein spektakuläres Unterfangen. Die französischen Medien verfolgten das Projekt mit Interesse, ein Dokumentarfilm wurde gedreht und mit www.refugedugouter.freine eigene Webseite eingerichtet.