25
Oktober
2011
|
02:26
Europe/Amsterdam

Grundnahrungsmittel Licht

Interview mit Lichtplaner Prof. Andres

Die Lichtplanung nahm eine zentrale Rolle bei der Planung des LichtAktiv Hauses ein und basiert auf umfangreichen Untersuchungen des Lichtplaners Professor Peter Andres. In diesem Interview spricht er über die Bedeutung von Tageslicht für das menschliche Wohlbefinden, die Planung des Licht-Konzepts sowie die widersprüchliche Entwicklung zwischen ausreichendem Tageslicht in Wohnräumen und den Anforderungen der Energieeinsparverordnung.

 

Das LichtAktiv Haus setzt auf Tageslicht. Was sind die wichtigsten Vorteile der Nutzung von Tageslicht in Räumen gegenüber der künstlichen Beleuchtung?

Das Tageslicht ist die Urform des Lichts. Nicht nur dass das Leben ohne Licht grundsätzlich nicht möglich wäre, sondern auch die Entwicklung aller unwillkürlichen Mechanismen des menschlichen Auges wie Helligkeits-, Entfernungs- und Farbanpassung ist im Laufe der Evolution ausschließlich unter Tages- bzw. Sonnenlicht abgelaufen. Wir Menschen verfügen über innere Uhren, die wichtige biologische Prozesse rhythmisch steuern wie z. B. den Tag-Nacht-Rhythmus. Um diese innere Uhr zu synchronisieren, braucht der Mensch jeden Tag eine gewisse Menge an Licht, die normaler Weise nur das Tageslicht zur Verfügung stellen kann. Hierbei handelt es sich um Lichtmengen, die weit über dem liegen, was man beispielsweise fürs Lesen braucht. Diesen Aspekt hat man Jahrzehnte lang nicht berücksichtigt. Man muss heute trennen zwischen dem Licht für die Erfüllung einer Sehaufgabe und dem Licht, das man zur Sicherstellung der gesundheitlichen Faktoren braucht. Deshalb ist Licht für den Menschen ein absolutes Grundnahrungsmittel. Dabei ist es eben auch besonderes wichtig, dass die Qualität des künstlichen Lichts an der Lichtqualität des Tageslichts gemessen wird. Es kommt also nicht nur auf die Menge des Lichtes, sondern auch auf dessen Qualität an.

 

Sie haben das Licht-Konzept des Hauses geplant. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Zuerst wurden die Tageslichtbedingungen für den Sieger-Entwurf der TU Darmstadt untersucht und dann mit den Wetterdaten von Hamburg ausgewertet. Anhand einer solchen Simulation kann man dann feststellen, wieviel Prozent des außen verfügbaren Tageslichts im Innenraum ankommt. Darauf hin wurde z. B. die Position der Fenster weiter optimiert. Erst wenn das Tageslicht-Konzept steht, beginnt die Planung des Kunstlichtes.

 

Die Fensterflächen wurden im Bestandsgebäude von ehemals 18 qm auf insgesamt 60 qm im erweitert. Wie gläsern darf ein Haus sein, damit sich der Mensch darin wohl fühlt?

Ein Haus darf nicht zu gläsern sein, da man sonst im Sommer – jedenfalls ohne wirksamen Sonnenschutz - ein Überhitzungsproblem hat, außerdem fehlt es dann an Geborgenheit und Privatsphäre. So ist es in den Abendstunden extrem schwierig in den Räumen eine behagliche Atmosphäre zu planen, da das künstliche Licht z. B. auf den spiegelnden Glasflächen reflektiert wird und diese auch grundsätzlich zu dunkel wirken. Hier gilt es, die richtige Balance zwischen Rückzugsbereichen und Ein- sowie Ausblicken zu finden.

 

Haben Sie eine Vermutung, wo sich die Testfamilie, insbesondere die Kinder, bevorzugt aufhalten werden?

Ich kann mir gut vorstellen, dass vor allem bei Schlechtwetter-Phasen der Treppenraum vor der Bibliothek besonders reizvoll ist. Hier fällt durch die Anordnung mehrerer Dachflächenfenster besonders viel Tageslicht ein. Gleichzeitig öffnet sich dieser Treppenraum auch horizontal mit einer Fensterfront auf knapp fünf Metern Länge zum Garten hin. Dies ist ein idealer Raum zum Lesen, Träumen und Rausschauen.

 

Wie wird in der wissenschaftlichen Begleitung dokumentiert, wo sich die Bewohner aufhalten? Was wird untersucht und wie?

Voraussichtlich werden HDR-Aufnahmen mit einer Spezialkamera aufgenommen. Diese Hochkontrastbilder können große Helligkeitsunterschiede darstellen. Damit wird die Helligkeitsverteilung in den Räumen dokumentiert. Anschließend werden diese Aufnahmen mit den Wetterdaten aus Hamburg abgeglichen und hieraus Rückschlüsse gewonnen.

Besonderes spannend wird es sein, wie sich die Bewohner bei einer Schlechtwetterphase im Haus verhalten.

 

Was können Planer und Architekten vom Licht-Konzept des Hauses lernen?

Der Aspekt Licht und Gesundheit muss stärker ins Bewusstsein rücken. Die DIN 5034 regelt derzeit die Lichtmenge für Wohnräume. In dieser DIN werden Werte vorgegeben, die in unseren Breiten in keiner Weise sicher stellen, dass wir in der dunklen Jahreszeit ausreichend Licht in biologisch wirksamer Quantität erhalten. Daher müssten die entsprechenden Bauvorschriften bzw. Empfehlungen entsprechend überarbeitet werden, was für die gesamte Bauwirtschaft tiefgreifende Konsequenzen haben würde.

 

Sind einem Licht-Konzept durch die Energieeinsparverordnung Grenzen gesetzt?

Zurzeit gibt es durch die Anforderungen der Energieeinsparverordnung verschiedene Entwicklungen, die überhaupt nicht zusammen passen. Es wird vor allem auf den Dämmwert geschaut, die Fensteröffnungen werden immer kleiner und teilweise noch falsch platziert. Unabhängig von der Energierechnung muss die erste Prämisse immer sein, dass sich der Mensch in den Räumen wohl fühlt und gesund bleibt, wofür er ausreichend Licht braucht. Erst wenn die Faktoren Gesundheit und Wohlbefinden ausreichend in der Planung berücksichtig sind, sollte nach einer  Lösung gesucht werden, wie man möglichst wirtschaftlich Energie einspart.

 

 

Über Prof. Andres: Prof. Ing. Peter Andres besuchte die Ingenieurschule HTL in Innsbruck, bevor er von 1977 bis 1983 bei Lichtplanung Christian Bartenbach tätig war. Anschließend arbeitete er bis 1985 bei Interferenz Lichtsysteme GmbH und gründete anschließend sein eigenes Lichtplanungsbüro in Hamburg. Seit 2001 besteht zusätzlich ein Büro in Tirol. Das Leistungsbild reicht von der Tageslicht- und Kunstlichtplanung aller Bereiche der Architektur über Modelluntersuchungen unter dem künstlichen Himmel, Besonnungsstudien, Simulationen und Visualisierungen bis hin zur Entwicklung von Tages- und Kunstlichtsystemen. Andres ist unter anderem als Honorarprofessor an der Peter Behrens School of Architecture PBSA in Düsseldorf tätig.