17
März
2011
|
13:21
Europe/Amsterdam

Intelligente Tageslichtarchitektur

 

Den Ausgangspunkt bildete eine in Hamburg-Wilhelmsburg gelegene, unsanierte Doppelhaushälfte aus den 1950er Jahren. Mit einer Grundfläche von 8 x 8 Metern sowie dem kleinen, ursprünglich als Stall genutzten Anbau entsprach das Objekt nicht mehr den aktuellen Ansprüchen an Raumgrößen und -höhen. Zudem wurden die kleinen, gedrungenen Räume aufgrund der geringen Fensterflächen nur mit wenig Tageslicht versorgt. Um einerseits zusätzliche Wohn- und Nutzfläche zu gewinnen und mehr Freiheiten für individuelle Bedürfnisse zu schaffen und um andererseits Flächen für die solare Energieerzeugung zu gewinnen, wurde der Anbau durch einen neuen Erweiterungsbau ersetzt. Zudem wurde das Bestandsgebäude umfassend gedämmt und modernisiert.

 

Lichtarchitektur auf der Basis des Tageslichtquotienten

Bei der integralen Planung des LichtAktiv Hauses nahm die Tageslicht- und Kunstlichtplanung eine zentrale Rolle ein. Sie basiert auf umfangreichen Untersuchungen des Lichtplaners Professor Peter Andres. Die Tageslichtverfügbarkeit und deren Wirkung werden durch die Berechnung des Tageslichtquotienten vergleichbar. Dieser international anerkannte Wert in Prozent trifft eine Aussage darüber, wie viel des von außen einfallenden Tageslichts im Innenraum nutzbar ist. Ein Raum mit einem Tageslichtquotienten von durchschnittlich zwei Prozent gilt zwar als Licht durchflutet, muss aber für bestimmte Tätigkeiten zusätzlich mit Kunstlicht angereichert werden. Ein Raum mit über fünf Prozent wirkt schon besonders intensiv von Tageslicht durchflutet.

 

Das Lichtkonzept als zentrale Komponente des LichtAktiv Hauses verfolgt das Ziel, einen Großteil der Räume intensiv von Tageslicht durchfluten zu lassen, denn in diesem Fall kann auf den Einsatz von Kunstlicht verzichtet werden. Zudem muss dank der kontrollierten, solaren Energieeinträge über die Fenster im Winter weniger geheizt werden. So wird die Energiebilanz des Gebäudes spürbar positiv beeinflusst. Durch eine geschickte Positionierung der Fensteröffnungen im LichtAktiv Haus lassen sich in den stark frequentierten Aufenthaltsräumen wie dem Wohnbereich, der Küche oder den Kinderräumen die angestrebten Tageslichtquotienten von durchschnittlich fünf Prozent oder mehr verwirklichen. Damit es im Sommer nicht zu warm wird und auch im Winter ausreichend frische Luft ins Gebäude gelangt, wirken Fenster, Sonnenschutzelemente und Rollläden wie eine natürliche Klimaanlage. Je nach Temperatur, CO2-Konzentration und Luftfeuchtigkeit öffnen und schließen sie sich automatisch und sichern ein gesundes und behagliches Raumklima.

 

Helle, tageslichtdurchflutete Räume im Altbau

Eine besonders gute Tageslichtausbeute liefert die so genannte „Tageslicht-Lampe“. Dieser zentrale Erschließungs- und Bibliotheksbereich löst das ehemals kleinteilige und geschlossene Treppenhaus des Bestandsgebäudes sowohl horizontal als auch vertikal auf und versorgt mit zehn großflächigen Dachfenstern den gesamten Raum vom Erdgeschoss bis zum Dach mit viel natürlichem Licht. Die geschickt angeordnete Treppe unterstützt in ihrer Farbgebung die Lichtausbeute. Ein Geländer aus weißen Stahlprofilen schafft größtmögliche Transparenz und dadurch Helligkeit. Zudem eröffnet die fast fünf Meter lange Fensterfront den ungestörten Blick in den großen Garten und macht den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten auch im Inneren erlebbar. Zwei Kinderzimmer, ein Schlafzimmer mit Ankleide sowie zwei Badezimmer bieten Platz für eine vierköpfige Familie – und der ehemals ungenutzte, dunkle Spitzboden lädt dank großzügiger Dachfenster und gemütlichen Sitzkissen zum Entspannen und Wohlfühlen ein. Die Oberlichter auf beiden Seiten des Firsts erzielen dort Werte von über zehn Prozent, denn Dachfenster liefern bei vergleichbaren Lichtverhältnissen mehr als doppelt so viel Licht wie vertikal angeordnete Fenster. Auch im Erdgeschoss wird unter der Tageslicht-Lampe ein guter Tageslichtquotient von durchschnittlich fünf bis sechs Prozent erreicht. Auf Kunstlicht kann hier auch an trüben Tagen meist verzichtet werden. Im Treppen- und Bibliotheksbereich ist mit etwa vier Prozent zu rechnen.

 

Optimale Lichtplanung im Erweiterungsbau

Mit dem Erweiterungsbau werden deutliche Wohn- und Nutzflächengewinne erzielt, aber auch weitere Perspektiven bei der Umsetzung des Energie- und Tageslichtkonzepts eröffnet. So wurde auf dem Anbau ein regelrechtes „Energiedach“ installiert: Photovoltaik- und Solarthermiemodule erzeugen in Kombination mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe die gesamte im LichtAktiv Haus benötigte Energie für Heizung, Warmwasser und Strom. Um ein optimales Zusammenspiel zwischen Belichtung, passiven Wärmegewinnen und sommerlichem Wärmeschutz zu erzielen, wurden sowohl die Süd- als auch die Nordfassade zum Teil aus transparenten Bauteilen errichtet. Die Giebelseiten sind weitgehend geschlossen. Die Raumaufteilung ist grundsätzlich flexibel angelegt. Raumteilende Möbel schaffen Platz für einen Wohn-, Koch- und Essbereich und garantieren ein Höchstmaß an Variabilität und Nutzungsfreiheit. Das Besondere: Durch die eingeschossige Bauweise des Erweiterungsbaus kann die Versorgung des Wohnraums mit natürlichem Licht auch über Dachfenster erfolgen. Diese ermöglichen eine gleichmäßige Ausleuchtung des Raums ohne Schattenwurf und erzeugen eine außergewöhnliche Lichtstimmung. So werden beispielsweise in der Küchenzone Tageslichtquotienten zwischen fünf und acht Prozent erreicht und die Möglichkeiten des Baukörpers ideal ausgenutzt. Im westlichen Kopf des Anbaus befinden sich ein Haustechnikraum, eine Vorratskammer sowie ein Gäste-WC. Den Abschluss bildet ein Carport, der aus der Konstruktion des Anbaus hervorgeht. Am östlichen Kopfbereich schließt sich an den Wohnbereich eine überdachte Terrasse an, die als Verbindung zwischen Innen und Außen ein hohes Maß an Lebensqualität bietet.

 

Fazit

Das LichtAktiv Haus Experiment von VELUX zeigt beispielhaft, wie sich ein altes Gebäude zukunftsweisend modernisieren lässt. Das in ein Nullenergiehaus verwandelte Siedlerhaus aus den 1950er-Jahren bietet seinen Bewohnern nicht nur höchsten Wohnkomfort mit viel Tageslicht und frischer Luft, sondern macht zudem Heizungs- und Stromrechnungen für alle Zeiten überflüssig. Dabei sorgt die anspruchsvolle Tageslichtarchitektur nicht nur dafür, dass sich die Bewohner im LichtAktiv Haus besonders wohlfühlen, sondern trägt außerdem dazu bei, den Energiebedarf signifikant zu senken.