11
März
2024
|
13:39
Europe/Amsterdam

Moderne Aufstockung: Vom Flachdach zum Steildach

Aufstockung eines Wohnhauses der 60er Jahre mit einem Mansarddach

Hamburg, März 2024. Die Nachverdichtung von Städten ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Wie man qualitativ hochwertigen Wohnraum in zentraler Lage integriert, zeigt ein modernes Hauserweiterungsprojekt in Lausanne. Mit einem zweigeschossigen, leicht asymmetrischen Dachaufbau kreierten die Architekt:innen von localarchitecture nicht nur eine moderne Neuinterpretation der umliegenden Mansarddach Häuser. Sie schufen zudem auch Raum für zehn neue Wohnungen in begehrter Innenstadtlage, deren Grundrisse frei gestaltet werden konnten. Verglaste Loggien und zahlreiche Velux Dachfenster sorgen für lichtdurchflutete Räume und beeindruckende Ausblicke über die Stadt.

Alles begann mit einem Anruf von einem der Kunden von localarchitecture, der dringend Hilfe bei der Farbgebung für eine Fassadensanierung an einem Wohngebäude benötigte. Neben einem neuem Farbsatz brachten die Architekt:innen die Idee für eine Erweiterung ins Spiel. Das im Grundriss L-förmige Gebäude war Ende der 1960er-Jahre entstanden und trug ein Flachdach, das zwei Stockwerke niedriger war als die Nachbargebäude mit Mansarddächern. Eine schnelle Kalkulation bewies, dass das vorgeschlagene Konzept einer Aufstockung finanziell tragfähig war, so dass die Ausarbeitung eines konkreten Entwurfs beginnen konnte.

Da das Gebäude kaum tragende Innenwände hatte, war die primäre tragende Struktur die Fassade, was sich für das geplante Mansarddach sehr gut eignete. Holzbögen, die von horizontalen Stahlelementen zusammengehalten werden, sitzen auf der Oberseite des bestehenden Gebäudes. Eine 70 Zentimeter dicke Deckenplatte ermöglicht die Umleitung von Rohren in den bestehenden Schächten. Um die Bewohner:innen der unteren Etagen möglichst wenig zu beeinträchtigen, wurde die Dachkonstruktion ausschließlich aus Holz gefertigt und das darunter liegende Gebäude während des Bauprozesses nicht angerührt. Das Gewicht einer überschüssigen Zwölf-Zentimeter-Betonschicht, die im ersten Schritt entfernt wurde, entsprach dem Gewicht der gesamten Holzkonstruktion, die die beiden neuen Stockwerke beinhaltet. So trägt das Holzskelett die Dachlast auf die bestehenden Außenwände ab und schafft im Inneren viel Raum und Licht für eine flexible Grundrissgestaltung.

Das traditionelle Mansarddach bietet keine Außenbereiche, die die Architekt:innen jedoch für unverzichtbar hielten. Mit der Kombination aus großformatigen Velux Dachfenstern und eingerückten Loggien wählten sie die sinnvollste Lösung, die eine großzügige natürliche Belichtung und einen direkten Zugang ins Freie bietet, ohne die Dachform durch Aufbauten und Gauben zu beeinträchtigen. So verfügt jede Wohnung über eine rundum verglaste Loggia, die das Tageslicht ins Innere bringt und gleichzeitig einen Privatbereich im Freien schafft. Die zweite, ebenso wichtige Tageslichtquelle sind große, elektrisch betriebene Velux Fenster, die bis in die Raumtiefen für natürliche Belichtung und frische Luft sorgen.

Die Holzbauweise der Aufstockung erweist sich ebenso statisch sinnvoll wie ökologisch konsequent. Fast der gesamte Anbau besteht aus verschiedenen Arten von Holz: Wände und Böden, sogar die Treppenhäuser und Aufzugschächte wurden mit Holzpaneelen verlängert. Keinerlei Betonelement kam bei diesem Projekt zum Einsatz. Das Dreieck – ein Leitmotiv des Tragwerks – wiederholt sich als Ornament an vielen Stellen, zum Beispiel an den Heizungsjalousien.

Die Dachaufstockung in Lausanne ist aus zweierlei Gründen als gelungen zu bezeichnen: Sie schuf auf beispielhafte Weise unter Einbeziehung des Bestands und ohne Beeinträchtigung der Bewohner:innen während der Bauphase zehn neue Wohnungen, darunter eine Maisonette, in begehrter Innenstadtlage wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Das erweist sich für die Bewohner:innen und den Investor gleichermaßen attraktiv.

Zugleich fügt sich das Hauserweiterungsprojekt gestalterisch perfekt ein in seine Umgebung. „Mit seinem von den Mansarddächern der umliegenden Häuser inspirierten Giebeldach führt das Gebäude aus den 1960er-Jahren das Erbe dieses historischen Stadtteils von Lausanne fort“, beschreibt Manuel Bieler von localarchitecture. Eine glänzende, leichte Fassade, die die neue Dachhülle bedeckt, "verschiebt das Haus vorwärts und rückwärts in der Zeit", so Bieler abschließend über den Designaspekt bei der Dachhülle.

Hintergrund: Nominierung beim Velux Architekten-Wettbewerb

Auch die Jury des Velux Architekten-Wettbewerbs 2022 beurteilte das Projekt als zeitgenössische Neuinterpretation der umliegenden Mansarddachhäuser und sah es als gelungenes Beispiel dafür, wie ein Bestandsgebäude in sein innerstädtisches Umfeld angepasst werden kann. Sie nominierte das Objekt als eine der sechs besten Einreichungen und konstatierte: „Auf beispielhafte Weise schafft dieses Projekt neuen Wohnraum und betreibt zugleich gestalterische Stadtreparatur, indem es den zuvor flach gedeckten Bestandsbau an die umliegenden Mansarddachhäuser anpasst.“

Downloads