26
Juli
2016
|
17:08
Europe/Amsterdam

Nachhaltig – Bezahlbar – Reproduzierbar

Ganzheitliches Sanierungsprojekt im sozialen Wohnungsbau verbindet Klimaschutz, Energieeffizienz und Bezahlbarkeit

Da Gebäude in Europa rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs verursachen, spielt ihre Energieeffizienz eine zentrale Rolle hinsichtlich der europäischen Klimaschutzziele. Zwar wurden bereits seit Mitte der 70er Jahre die gesetzlichen Anforderungen an Neubauten kontinuierlich erhöht und damit deren Energieverbrauch deutlich reduziert. Europaweit existiert jedoch ein riesiger Gebäude-Altbestand mit reichlich Nachholbedarf in dieser Hinsicht, denn etwa 40 Prozent der Wohngebäude in Europa wurden vor den 1960er Jahren errichtet. Hier liegen enorme Potenziale für Energieeinsparung und Klimaschutz – und angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent der heute existierenden Gebäude auch noch in 40 Jahren genutzt und bewohnt werden, ist die Sanierung des Gebäudebestands zwingend erforderlich, um die geforderte CO2-Reduktion zu erzielen.

 

Nachhaltiger Wohnkomfort zu einem erschwinglichen Preis

Wie sich zukunftsweisende Sanierungen im Bestand ohne Einbußen in Bezug auf Komfort und Wohnqualität umsetzen lassen, zeigt das RenovActive House in der belgischen Gemeinde Anderlecht. Hierbei handelt es sich um ein ganzheitliches Modellprojekt für erschwingliche, reproduzierbare und klimafreundliche Sanierungen im sozialen Mietsektor, das die Velux Gruppe in Kooperation mit der sozialen Wohnungsbaugesellschaft „Le Foyer Anderlechtois“ entwickelt hat. Als völlig neues Renovierungskonzept berücksichtigt das RenovActive House nicht nur die klassischen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, sondern schließt die Aspekte Wohngesundheit, Wohlfühlklima und minimale Umweltbelastung mit ein. Zudem wird die Bezahlbarkeit gewährleistet, denn das Sanierungsprojekt wurde mit den Budgetvorgaben des sozialen Wohnungsbaus durchgeführt. Damit dient das für zwei- und dreigeschossige Häuser entwickelte Konzept als Vorbild für weitere Projekte im sozialen Wohnungsbau. Darüber hinaus kann das Konzept leicht adaptiert werden und ermöglicht dadurch auch privaten Bauherren und Modernisierern mit knappen Budgets die klimafreundliche Sanierung ihrer Eigenheime.

 

Energetische Modernisierung und Erweiterung als Basis

Den Ausgangspunkt bildete eine im Anderlechter Stadtteil „Bon Air“ gelegene unsanierte Doppelhaushälfte aus den 1920er Jahren. Mit einer Wohn- bzw. Nutzfläche von rund 80 Quadratmetern und der geschlossenen, kleinteiligen Raumstruktur entsprach das Objekt nicht mehr den aktuellen Ansprüchen an Raumgrößen und Wohnqualität. Zudem befand sich das Gebäude in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls und entsprach auch energetisch nicht annähernd den heutigen Anforderungen.

Um zusätzliche Wohnfläche zu gewinnen und mehr Freiheiten für individuelle Bedürfnisse zu schaffen, wurde das Gebäude um einen Flachdach-Anbau erweitert. Außerdem wurde der ehemals ungenutzte Dachboden in ein lichtdurchflutetes Spielzimmer verwandelt. Für die energetische Ertüchtigung des Bestandsgebäudes wurden die Außenwände und das Dach des alten Hauses gedämmt und neue Fenster mit Isolierverglasung eingesetzt. Darüber hinaus wurden zusätzliche Fenster in Dach und Fassade installiert, um im Inneren des Gebäudes ein gesundes Raumklima mit viel Tageslicht und frischer Luft zu schaffen. Zudem wurden die installationstechnischen Anlagen saniert und die alte Heizung durch einen modernen Gas-Brennwertkessel ersetzt. Eine effiziente Fußbodenheizung versorgt das gesamte Erdgeschoss mit Wärme. Im Obergeschoss und unter dem Dach werden die Räume über Heizkörper beheizt. Insgesamt kann so der jährliche Heizenergiebedarf von ursprünglich 700 kWh/m² auf 25 kWh/m² gesenkt werden. Für eine Reduzierung des Wasserverbrauchs sorgt eine 5.000 Liter fassende Zisterne: Sie fängt Regenwasser auf, das für die Toiletten, die Gartenbewässerung und die Waschmaschine genutzt wird.

 

Helle Räume sorgen für Wohlbefinden

Im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes befinden sich neben Eingangsflur und Gästebad das große Wohnzimmer und die offene Küche. Diese geht nahtlos in den angrenzenden Essbereich über, der die gesamte durch den Anbau gewonnene Fläche einnimmt. Bodentiefe Fenster sowie ein in das Gründach des Anbaus integriertes Flachdach-Fenster von Velux versorgen diesen großzügigen Wohn-, Ess- und Kochbereich mit viel natürlichem Licht und die angrenzende Terrasse erweitert im Sommer den Wohnraum nach draußen. Ein neues offenes Treppenhaus erschließt das Gebäude mit einer gewendelten Treppe bis unter das Dach. Über diese gelangt man vom Wohnzimmer aus zunächst ins Obergeschoss. Hier befinden sich ein Kinderzimmer, das Elternschlafzimmer und ein großes Familienbad. In diesem sorgt ein Velux Tageslicht-Spot als Ergänzung zum Fassadenfenster für Helligkeit. Darüber liegt die neu entstandene, großzügige Spielgalerie. Sie wird von automatischen Velux Dachfenstern auf beiden Seiten des Giebels sowie der über dem Treppenhaus positionierten „Systemlösung Duo“ – zwei direkt nebeneinanderliegende, automatische Dachfenster – mit viel Tageslicht versorgt. Dank des offenen Treppenhauses gelangen die Sonnenstrahlen zudem bis in den Flur des Mittelgeschosses und sorgen auch hier für ausreichende Helligkeit. Dabei tragen die ausgewogenen Lichtverhältnisse nicht nur zum angenehmen und gesunden Wohnklima bei, sondern reduzieren gleichzeitig den Bedarf an künstlichem Licht. Zusätzlich sorgen die wärmenden Sonnenstrahlen durch die Fenster dafür, dass die Bewohner in den kalten Jahreszeiten weniger heizen müssen.

 

Hitzeschutz und natürliche Lüftung sorgen für gesundes Raumklima

Innenliegender Sonnenschutz an allen Dachfenster sowie am Flachdach-Fenster des Anbaus ermöglicht es, das einfallende Tageslicht ganz nach Wunsch zu regulieren. Zudem wurde das nach Süden ausgerichtete Dachfenster in der Spielgalerie und die nach Osten ausgerichtete „Systemlösung Duo“ über der Treppe mit außenliegenden Hitzeschutz-Markisen ausgestattet, sodass es an heißen Sommertagen nicht zu warm unter dem Dach wird. Dabei öffnen und schließen sich die sensorgesteuerten Elemente in Abhängigkeit von Sonnenlicht und Außentemperatur und sorgen damit im Sommer automatisch für angenehme Temperaturen im Inneren. Darüber hinaus spielen die Dachfenster eine zentrale Rolle bei der Be- und Entlüftung des Gebäudes. In der aus energetischen Gründen luftdichten Bausubstanz öffnen und schließen sich die Fenster automatisch je nach Temperatur, CO2-Konzentration und Luftfeuchtigkeit. Dabei sorgen Wind und Temperaturunterschiede zwischen außen und innen für eine gute Frischluftzufuhr. Zudem verstärkt die unterschiedliche Höhe der im offenen Treppenhaus positionierten Dach- und Fassadenfenster die Wirkung des sogenannten Kamineffekts. Dabei steigt die warme, verbrauchte Luft nach oben und zieht durch die Dachfenster ab, während von unten frische Luft durch die Fassadenfenster nachströmt. Diese besonders effektive und schnelle natürliche Lüftung gewährleistet nicht nur eine gute Raumluftqualität, sondern sorgt in Verbindung mit den äußeren Sonnenschutzvorrichtungen auch an heißen Sommertagen für hohen Wohnkomfort. Nach Sonnenuntergang sorgt die natürliche Lüftung zudem schnell für angenehme Temperaturen im Inneren. Am Abend und in der Nacht zieht die warme Luft durch die Dachfenster ab und die kühle Nachtluft wird gespeichert. Dadurch wirkt das gesamte System von Sonnenschutzelementen und Fenstern wie eine natürliche Klimaanlage und sichert ein gesundes und behagliches Raumklima. Unterstützt wird diese natürliche Ventilation durch eine dezentrale, bedarfsgesteuerte mechanische Lüftungsanlage, die in den Wintermonaten für gesunde Raumluft sorgt.

 

Austausch von Know-how

Das RenovActive House zeigt, dass die Verbindung von Energieeffizienz und hoher Lebensqualität nicht nur dem Neubau vorbehalten ist, sondern auch durch Modernisierung im Bestand realisierbar ist – und das sogar nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus. Das Gebäude steht noch bis Frühjahr 2017 für Veranstaltungen und Besichtigungen offen. Im Anschluss wird eine dreiköpfige Familie dort einziehen und im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten „Wohn-Experiments“ testen, wie sich das sanierte Gebäude in der Praxis bewährt. Dabei werden Energieverbrauch und Innenraumklima laufend gemessen und die Ergebnisse dokumentiert. Auch das individuelle Wohn- und Wohlfühlgefühl der Familie wird regelmäßig erfasst und ausgewertet. Ziel ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie eine umweltverträgliche Wohnlösung konzipiert sein sollte, die seinen Bewohnern gleichzeitig ein gesundes Raumklima und besten Wohnwert bietet und das Konzept auf Basis dieser Erkenntnisse weiterzuentwickeln.

 

Darüber hinaus dient das RenovActive Projekt der Wohnungsbaugesellschaft „Le Foyer Anderlechtois“, die insgesamt 3.600 Wohneinheiten in Anderlecht besitzt, als Vorbild für die Modernisierung von zunächst 86 ähnlichen Häusern im Wohnviertel „Bon Air“. Die hierfür erforderlichen Genehmigungen der zuständigen Behörden liegen bereits vor und der Start der Sanierungsarbeiten ist ab Mitte 2017 vorgesehen.

 

Welche Relevanz das Projekt für den Gebäudebestand in Deutschland und Europa hat, zeigt auch die Tatsache, dass Velux das RenovActive Projekt im Juni bei der von Bundespräsident Joachim Gauck und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) initiierten Woche der Umwelt im Park von Schloss Bellevue vorstellen durfte. Eine durch das Bundespräsidialamt berufene Jury hatte das Projekt aus über 600 Bewerbungen mit lösungsorientierten Innovationen und praxisnahen Modellvorhaben zu den Fachthemen Klimaschutz, Energie, Ressourcen, Boden und Biodiversität, Mobilität und Verkehr, Bauen und Wohnen ausgewählt.

 

Bautafel

Objekt

RenovActive House, Belgien

Wohnfläche

ca. 95 qm

Anzahl Etagen

3 (inkl. ausgebautem Dachgeschoss)

Bauherr

Le Foyer Anderlechtois, Brüssel, Belgien
www.foyeranderlechtois.be

Architekt

ONO Architectuur, Antwerpen, Belgien
www.ono-architectuur.be

Produkte

Bestandsgebäude

·         4 elektrisch betriebene Velux Dachfenster

·         4 elektrisch betriebene Faltstores

·         3 elektrisch betriebene Hitzeschutz-Markisen

·         1 Velux Tageslicht-Spot

 

Anbau

·         1 elektrisch betriebenes Velux Fachdach-Fenster

·         1 elektrisch betriebenes Velux Faltstore

 

 

Hintergrund Model Home 2020

Energieeffizienz und Wohnkomfort schließen sich nicht aus

Um zu zeigen, dass CO2-neutrale Gebäude ohne Einbußen in Bezug auf Komfort und Wohnqualität errichtet werden können, hat die Velux Gruppe bereits zwischen 2009 und 2012 im Rahmen des europaweiten Model Home 2020 Projekts sechs Konzepthäuser sowohl im Neubau als auch im Bestand auf Basis der Aktivhaus-Prinzipien „Energie, Raumklima und Umwelt“ realisiert. Um die theoretischen Berechnungen zu überprüfen und herauszufinden, wie die Häuser im täglichen Betrieb funktionieren, stellten Testfamilien die Gebäude im Rahmen von wissenschaftlich begleiteten Praxistests über einen Zeitraum von bis zu zweieinhalb Jahren auf die Probe.

Hierbei erfassten und dokumentierten interdisziplinäre Forscherteams aus Architekten, Soziologen sowie Gebäudetechnikern nicht nur den Gesamtenergieverbrauch und die Energieproduktion der Gebäude, sondern nahmen darüber hinaus auch die Raumluft- und Tageslichtqualität der Gebäude genau unter die Lupe – denn eine gute Energiebilanz allein schafft noch kein gesundes, komfortables Umfeld für die Nutzer. Deren subjektiven Bewertungen wurden im Rahmen von Befragungen aufgezeichnet und ausgewertet. Die Ergebnisse des Model Home 2020 Projekts zeigen, dass bereits mit den 2009 verfügbaren Technologien und Materialien Gebäude im Einklang mit den voraussichtlichen Gebäude-Energiestandards für 2020 gebaut werden können, die ihren Nutzern zugleich eine hohe Lebensqualität und ein gesundes Raumklima bieten.

Auch nach Abschluss des Model Home 2020 Projekts arbeitet Velux weiter an der Lösungsfindung für nachhaltige und gesunde Gebäude. So hat das Unternehmen bis heute über 20 Demonstrationsgebäude und Aktivhäuser – sowohl im Bestand als auch im Neubau – realisiert und dabei die Erkenntnisse des Experiments Model Home 2020 genutzt und weiterentwickelt. Aktuellstes Beispiel ist das im Mai eröffnete RenovActive House. Hierbei handelt es sich um die Modernisierung eines Doppelhauses aus den 1920er Jahren, die den Ansprüchen von Bewohnern, Klimaschutz, Energieeffizienz und vor allem auch der Bezahlbarkeit gerecht wird – denn das ganzheitliche Sanierungsprojekt wurde mit den Budgetvorgaben des sozialen Wohnungsbaus durchgeführt.