22
August
2013
|
12:35
Europe/Amsterdam

Wissenschaftlich begleitetes Wohnexperiment in Österreichs erstem CO2-neutralen Einfamilienhaus übertrifft die Erwartungen

Die 1-Jahres Bilanz des als Plusenergiehaus konzipierten Velux Sunlighthouse zeigt einen 20% höheren Energiegewinn als berechnet bei zugleich sehr zufriedenen Bewohnern.

 

Das österreichische Model Home 2020 steht in Pressbaum westlich von Wien. Errichtet wurde es auf einem Grundstück, wie es durch seine Topografie, Lage und Ausrichtung in Österreich häufig vorkommt: abschüssig und nicht rein südorientiert. Um herauszufinden, ob es tatsächlich gelingt, Energie-Überschuss und CO2-Neutralität in Kombination mit hohem Tageslicht-Anteil und ökologischen Materialien zu realisieren, ist im März 2012 eine Testfamilie ins Velux Sunlighthouse gezogen. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern haben Yasmin und Ludwig Dorfstetter das als Plusenergiehaus konzipierte Gebäude ein Jahr lang auf die Probe gestellt und getestet, wie das Haus im täglichen Betrieb funktioniert und ob die theoretischen Planungen und Berechnungen den tatsächlichen Lebensgewohnheiten einer vierköpfigen Familie standhalten. Begleitet wurde dieses Wohnexperiment durch eine umfassende interdisziplinäre Untersuchung der Donau-Universität Krems und des IFZ Graz.

 

Wohnexperiment bestätigt theoretische Berechnungen

Erklärtes Ziel war es, den Gesamtenergiebedarf so gering wie möglich zu halten und diesen trotz des schwierigen Grundstücks durch erneuerbare Energieträger mehr als abzudecken. Die Ergebnisse der einjährigen Monitoringphase zeigen nun, dass dieses Ziel erreicht werden konnte: Die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien wie Solarthermie und Photovoltaik überstieg die Erwartungen um 20 Prozent. Zugleich fiel der Energiebedarf des Sunlighthouse für Heizung und Warmwasser niedrigen aus, als ursprünglich kalkuliert. Zurückführen lässt sich das auf die gut gedämmte Gebäudehülle und die ausgezeichnete Energiebilanz der Fenster. In der Bilanz ergibt sich somit ein jährlicher Energieüberschuss von 5,7 kWh/m².

 

Lichtdurchflutet Räume sorgen für Wohlbefinden

Für die gute Wohnqualität sorgt vor allem der hohe Tageslichtanteil, auf den bereits in der Planung des Velux Sunlighthouse großer Wert gelegt wurde. Um die Belichtung in allen Bereichen des Gebäudes zu optimieren, wurden die vielen Fenster von Architekt Juri Troy gezielt positioniert. „Von der Ausrichtung des Gebäudes bis hin zur Positionierung der Fenster und dem Verhältnis von Innen- zu Außenräumen wurde alles detailliert abgestimmt“, erklärt Michael Walter, Geschäftsführer Velux Österreich. Damit übertrifft der Tageslichtanteil die geltenden gesetzlichen Normen um das Fünffache und das obwohl das Haus auf einem schwierigen, schattigen Grundstück gebaut wurde. Dadurch bietet das Haus einen hohen Erholungswert und das wirkt sich auch positiv auf die Ausgeglichenheit der Kinder aus. Dies bestätigen auch die Interviews mit der Familie, in denen die lichtdurchflutete Architektur des Gebäudes immer wieder und zu allen Jahreszeiten besonders positiv hervorgehoben wurde. Auch die Möglichkeit, das Atrium als „erweitertes Wohnzimmer“ am Übergang zum Garten im Sommer wie im Winter zu nutzen, ist insbesondere bei den beiden Kindern, aber auch bei den Eltern sehr gut angekommen.

 

Angenehme Temperaturen im Sommer dank natürlicher Fensterlüftung

Alle Fenster sind mit außen liegendem, automatisiertem Sonnenschutz ausgerüstet, der in Verbindung mit der bedarfsgerechten Fensterlüftung dafür sorgt, dass es in den Sommermonaten im Inneren nicht zu heiß wird. Auch die gute Luftqualität mit einem durchschnittlichen CO2-Gehalt zwischen 437 und 797 ppm ist auf die automatische Lüftung zurückzuführen. Sensoren messen kontinuierlich Innen- und Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, CO2-Gehalt und Feuchtigkeit der Raumluft und sorgen dafür, dass sich die Fenster nach exakt definierten Kriterien vollautomatisch öffnen und schließen. „Wir befürchteten anfangs, dass ein Fensteranteil von über 50 Prozent der Wohnnutzfläche nicht nur viel Tageslicht, sondern auch Hitze ins Haus bringt“, erinnert sich Ludwig Dorfstetter an die Bedenken beim Einzug. „Das Sunlighthouse hat unsere Hitzebedenken jedoch Tag für Tag widerlegt: Das Innenklima war zu jeder Jahreszeit sehr angenehm“, so das Resümee des Familienvaters. Diesen Eindruck bestätigen auch die durchschnittlichen Messwerte: Trotz zweier extremer Hitzeperioden stieg die Raumtemperatur nur an sechs Tagen stärker an und lag durchschnittlich bei 24,4° Celsius im Sommer und 21,3° Celsius im Winter. „Die Steuerung der Fenster durch die Gebäudeautomation war anfangs schon eine Herausforderung für uns“, erklärt Yasmin Dorfstetter. „Nach einer Eingewöhnungsphase ist uns die Handhabung aber rasch klar geworden und wir haben verstanden, warum etwa die Fenster automatisch aufgehen.“ Neben allen Vorteilen der Technik ist eine individuelle Steuerung für die Bewohner jedoch unverzichtbar: „Zum Wohlfühlen gehörte für uns auch allein der Gedanke, dass wir bei Bedarf selbst regeln können“, betont Yasmin Dorfstetter.

 

Fazit

In der Endbewertung erfüllt das Velux Sunlighthouse alle Erwartungen: „Heute sehen wir, dass es durchaus möglich ist, nachhaltige Gebäude nach den Active-House-Kriterien Komfort, Energieeffizienz und Umwelt zu bauen“, zieht Lone Feifer, Leiterin des europaweiten Velux Model Home 2020 Projekts, Bilanz. Für die Nutzer bedeutet das nicht nur ausgesprochen geringe Betriebskosten durch die Nutzung von regenerativen Energien, sondern vor allem höhere Lebensqualität in Form von frischer, gesunder Raumluft, einem hohen Anteil an Tageslicht, einem ganzjährig angenehmen Raumklima und der perfekten Kombination aus Innen- und Außenraum – also Lebensqualität pur. „Das Sunlighthouse steht für Wohlfühlwohnen im Einklang mit der Umwelt ohne Strom- und Heizkostenrechnung. Es funktioniert!“, so das Fazit der Dorfstetters, die sich gern im Namen der Entwicklung und Forschung pro zukünftigen Wohnens in das Abenteuer gestürzt haben, eine „gläserne“ Testfamilie zu sein. Nach Abschluss des einjährigen Probewohnens im Velux Sunlighthouse fällt die Rückkehr in ihr eigenes Haus viel schwerer als gedacht.