01
Januar
2013
|
15:25
Europe/Amsterdam

Alpines Bergkristall mit nachhaltiger Architektur

Das Felsplateau, auf dem die Hütte steht, wird Plattje genannt und ist Ausgangspunkt des Hauptweges zur Spitze des Monte-Rosa-Massivs und anderen Bergen der Umgebung, wie den Schweizer Wahrzeichen Breithorn und Matterhorn. Man erreicht die Hütte von der Station Rotenboden der Gornergratbahn aus, von wo ein Weg zum Gornergletscher führt. Dort muss der Gletscher auf einer Höhe von etwa 2.600 m überquert werden und über einen weiteren Weg gelangt man direkt zur Hütte.

 

Funktion

Die Monte-Rosa-Hütte ist eine Berghütte in der Schweiz, die 120 Übernachtungsgästen wie Kletterer, Wanderer und Alpinisten Platz bietet. Die erste Hütte wurde 1895 gebaut und nach über einem Jahrhundert mit zahlreichen An- und Umbauten 2003 durch ein völlig neues Gebäude ersetzt, das im September 2009 anlässlich des 150. Jubiläums der ETH Zürich eingeweiht wurde. Die VELUX Schweiz AG trug ihr Know-how zur Entwicklung des Projekts bei.

In den nächsten Jahren wird die Hütte von Studenten der Universität auch als Forschungsstation genutzt werden, um zu erforschen und untersuchen, wie Energie und Ressourcen effizient genutzt werden können. Ziel ist es, einen Transfer von Wissen und grünen Technologien zu ermöglichen.

 

Konzept

Mit seiner polygonen Metallfassade, die Licht und Energie an ihren Seiten einfängt und absorbiert, scheint das Gebäude auf den ersten Blick exakt einem Schweizer Bergkristall nachempfunden – eine Lösung, die sich deutlich von den traditionellen Steinhütten und Schutzhäuschen in der Gegend unterscheidet. Das Konzept ist eine recht ungewöhnliche Fusion verschiedener Elemente. Ein kompaktes, monolithisches Gebäude mit einem intelligenten Energiesystem, das sich perfekt in die felsige Landschaft einfügt.

Die Hütte dient jedoch auch als theoretisches Forschungsobjekt zur Schnittstelle zwischen Umwelt und Zivilisation. Es ging nicht nur darum, eine nachhaltige und energieeffiziente Berghütte zu konzipieren; das Ziel war vielmehr, das Bewusstsein für kritische Abhängigkeiten von der bedachten Ressourcennutzung sowie der Übertragbarkeit der vor Ort erhaltenen Erkenntnisse auf Großstädte weltweit und deren zukünftige Entwicklung zu fördern. Deshalb begreift sich die Hütte weder als „Luftschloss“ noch als Modell eines Bergkristalls; sie repräsentiert das Konzept der Nachhaltigkeit, eine Analogie komplexer Konstruktionen wie ein Termitenbau, in dem Gerüst und Termitenvolk als ein Organismus funktionieren.

 

Materialen und Konstruktion

Das Gebäude wurde auf einem Stahlbetonsockel mit Spiralkonstruktion errichtet; das Gebäudeinnere wurde ausschließlich in Holzbauweise konstruiert. Die polygonen Außenwände sind mit einer Aluminiumhülle verkleidet. VELUX Dachfenster kamen nicht nur auf dem Dach zum Einsatz, sondern auch als Fassadenelemente an der riesigen Außenfassade (120 m²) neben Aluminiumpaneelen und Solarkollektoren. Einerseits findet man hier eine Mischung aus den neuesten Hightech-Materialien und Technologien, andererseits traditionelle Holzbauweise und typische Elemente der Alpenregion in den Innenräumen.

Nach Erstellung des Fundaments, wurden die digital geplanten Holzbauteile vor Ort wie ein dreidimensionales Puzzle zusammengefügt – eine Ausführung, die es in der Schweiz so noch nicht gegeben hat. Alle Baumaterialien sind vorgefertigte Elemente, die per Bahn nach Zermatt transportiert und von dort auf 3.000 Helikopterflügen zusammen mit 35 Arbeitern auf den Gletscher transportiert wurden. Die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) und der SAC (Schweizer Alpen-Club) beschreiben den Bau als „die komplexeste Holzkonstruktion, die es in der Schweiz je gab“.

 

Solarenergie, Ökologie und Technik

Was die Monte-Rosa-Hütte so einzigartig macht, ist die Art und Weise wie die verschiedenen Energiesysteme kombiniert wurden, optimal gesteuert werden und dynamisch reagieren: Das Gebäude bezieht seine Energie aus einem Energieüberschuss. Die gesamten CO₂-Emissionen der Hütte werden voraussichtlich ein Drittel der Emissionen der bisherigen Hütte betragen, die sich 80 m unterhalb in Richtung des Gletschers befand. Die Wasserversorgung erfolgt über Gletscherschmelzwasser, das in der Sommerzeit in einem großen Reservoir 40 Meter oberhalb der Hütte gesammelt und gespeichert wird.

Vom Designkonzept bis hin zu jedem funktionalen Detail präsentiert sich die Hütte als umweltfreundliches Hightech-Gebäude, das 90 % seines Energiebedarfs durch die Sonne deckt (16 kW). Die restlichen 10 % liefert ein mit Rapsöl betriebenes System, um die Versorgung in Spitzenlastzeiten zu gewähren. Die Elektrizität wird für die Abwasseraufbereitung, Klimatisierung, Beleuchtung und den Betrieb der Haushaltsgeräte genutzt. Eine ultramoderne Photovoltaikanlage, die in die Südfassade integriert ist, speichert überschüssige Energie in verschlossenen Bleiakkumulatoren, die auch bei Schlechtwetterperioden die Stromversorgung sicherstellen. Durch ein Zick-Zack-Fensterband und einige VELUX Dachfenster, die wie kleine „Löcher“ in der Fassade wirken, kann die Sonne die Luft im Inneren des spiralförmigen Gebäudes erwärmen.

 Um eine größtmögliche Energieeffizienz zu erreichen, haben die Designer ein computergesteuertes Energiemanagementsystem installiert, das von einem Wissenschaftler an der ETH überwacht wird. Wettervorhersagen, erwartete Besucherzahlen und Energieniveaus werden an den Computer weitergeleitet und mithilfe von mathematischen Modellen analysiert, um das Zusammenspiel der Energiesysteme zu optimieren. Das bewirkt zum Beispiel, dass das Energieniveau bei guter Wettervorhersage für den nächsten Tag und ca. 120 erwartete Besucher (und genauso in anderen Situationen) entsprechend angepasst wird. Die Photovoltaik-, Wasser- und Belüftungsanlage können je nach Bedarf automatisch an- oder abgeschaltet werden.

 

Inneneinrichtung

Die Hütte verfügt über fünf Stockwerke, die um eine spiralförmige Innenkonstruktion herum gebaut wurden, die ausschließlich aus Holz besteht. Nicht nur die Träger und Treppenaufgänge, sondern auch die Zimmer, Treppenstufen und Einbaumöbel (Betten und Sitzbänke) sind aus Massivholz gefertigt.

 Von der Innentreppe aus hat man teilweise eine fantastische Aussicht auf die umliegende Landschaft. Auch der Essbereich, der in kleine, gemütliche Essnischen unterteilt ist, bietet einen Panoramaausblick. Die Kombination aus Bergpanorama beim Blick aus dem Fenster und einem frischen, angenehmen Raumklima sorgt zusammen mit den Lichtreflexen für ein gesundes Ruhe- und Wohlgefühl. Die Hütte wird mechanisch klimatisiert, die Fenster in den Zimmern lassen sich jedoch manuell öffnen, falls Gäste die frische Bergluft genießen möchten.

 

 

  
 

Info:

Architekten: Bearth & Deplazes Architekten AG

Fotografie: Tonatiuh Ambrosetti

Bauleitung: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Kunde/Investor: Schweizer Alpen-Club (SAC)

Standort: Monte Rosa, Zermatt (CH)

Land: Schweiz

Jahr der Fertigstellung: 2009

Fläche: 1,154 m2, 120 Gäste

 

 

Hintergrund ETH Zürich:

Die ETH Zürich (gegründet 1855) ist eine der international führenden technisch-naturwissenschaftlichen Hochschulen auf den Gebieten der Ingenieurwissenschaften, Architektur, Mathematik, Naturwissenschaften, systemorientierten Wissenschaften sowie der Management- und Sozialwissenschaften. Der Forschungsschwerpunkt der ETH Zürich liegt auf globalen Herausforderungen wie Klimaveränderungen und eines ihrer Hauptanliegen ist der Wissenstransfer zum Privatsektor und zur Gesellschaft im Allgemeinen.