13
Dezember
2011
|
13:21
Europe/Amsterdam

Ein spannendes Experiment

Interview mit dem Architekten des Sunlighthouse, Juri Troy

Das im Oktober 2010 eröffnete Sunlighthouse von VELUX hat für viel Aufsehen gesorgt. Der fünfmal höhere Tageslichtanteil, die Kombination zweier automatisiertes Luftwechselsysteme zur Optimierung des Raumklimas und die positive Energiebilanz sind in dieser Kombination einzigartig. Wir sprachen mit Mag. Arch Juri Troy von HEIN-TROY Architekten über sein Konzept und den Praxistest.

Herr Troy, das Sunlighthouse von VELUX ist ein Experiment. Das Unternehmen will anhand von sechs Gebäuden in fünf Ländern Europas unter Beweis stellen, dass wir schon heute CO2-neutral bauen und gleichzeitig hervorragendes Innenraumklima herstellen können. Ist Ihnen dieser Beweis mit dem österreichischen Projekt gelungen?

In die Planung und Ausführung dieses Einfamilienhauses sind die Erfahrungen so vieler Experten eingeflossen, alle Berechnungen wurden wissenschaftlich untermauert. Den Beweis dafür aber wird erst das Monitoring liefern.

 

Ihr Projekt ist als Sieger aus einem geladenen Wettbewerb hervorgegangen. Welche Planänderungen waren anschließend erforderlich?

In den zwei Jahren vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung haben wir unglaubliche Mengen an Forschungsmaterial gesammelt und aufgrund neuer Befunde unsere Planung abgeändert. Das Grundkonzept hat sich natürlich von Anfang bis Schluss durchgezogen, aber in den Details und in den Funktionen hat sich sehr viel verändert. Ein wichtiger Grund dafür war, dass wir das Haus zweimal kürzen mussten – aus unterschiedlichen Gründen. Aber das bedeutete für uns natürlich eine komplette Neuaufteilung der inneren Zonierung. Bei der zweiten Umplanung ist auch die ungewöhnliche Dachform entstanden, die für die Funktionalität des Hauses entscheidende Bedeutung hat.

 

Diese Dachform ist tatsächlich sehr auffällig. Warum diese ungewöhnliche Lösung?

Der Dachvorsprung des Sunlighthouse ist beispielhaft für die Komplexität des gesamten Gebäudes. Hier kulminieren sehr viele unterschiedliche Ansprüche. Erstens muss das Haus sich selbst mit Strom versorgen. Dazu brauchen wir eine große Dachfläche. Gleichzeitig sollten die Dachflächenfenster in einer Höhe montiert werden, die einem Kind, das am Schreibtisch sitzt, den freien Blick in die Umgebung ermöglicht. Die Höhe der Arbeitsfläche ist nach ergonomischen Richtlinien vorgegeben, die Absturzsicherung nach Bauordnung sicherzustellen. Größe und Form der Photovoltaikelemente wird von den Anlagen der Hersteller vorgegeben. Und dann haben wir auch noch die innen liegenden Regenrinnen unterbringen müssen. In dem ursprünglich vorgesehenen, bündig mit der Außenwand abschließenden Dach hätten wir das – nach der Gebäudekürzung – nicht geschafft. Dieser Vorsprung, diese Auskragung, war die Lösung für alles. Und noch mehr, damit haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, über drei Fensternischen mehr Tageslicht vom Dach bis ins Erdgeschoß zu leiten.

 

Ihre Arbeiten sind bekannt für die besondere Linienführung mit Licht. Welche Herausforderungen gab es beim Sunlighthouse?

Licht spielt bei unseren Entwürfen immer eine besondere Rolle. Wir bauen bei vielen Projekten im Vorfeld Modelle, um zu sehen, ob der Lichteinfall wie geplant funktioniert. Aber trotzdem bleibt es bei der subjektiven Empfindung. Beim VELUX Sunlighthouse war das anders. Hier war die Anforderung, dass jeder Aufenthaltsraum 5 Prozent Tageslichtfaktor haben musste – und die Umsetzung dieser Anforderung wurde von der Donau-Universität im Lichtlabor und rechnerisch überprüft. Dabei hat sich gezeigt: Um 5 Prozent Tageslichtfaktor zu erreichen, muss man schon an allen Details drehen und alles optimieren – bis hin zur Innenausstattung. Aber das Sunlighthouse zeigt, es geht – und ist ein wesentlicher Bestandteil des Projekts.

 

Vorarlberger sind bekannte Passivhausarchitekten. Sie verfolgen hier den Gedanken des Aktivhauses, oder?

Nach der Begehung des Grundstücks war uns sehr bald klar, dass ein Passivhaus auf diesem Grundstück und bei dieser starken Beschattung extreme architektonische und räumliche Einbußen bedeuten würde, vor allem was den Tageslichtfaktor betrifft. Also haben wir bei unserer Einreichung zum Wettbewerb kein Passivhaus vorgeschlagen. Für uns ist dieses Haus die Weiterführung des Passivhaus-Gedankens. Der Heizwärmebedarf liegt zwar ein wenig über dem eines Passivhauses, aber durch die solaren Energiegewinne können wir die Differenz mehr als ausgleichen. Es geht um das Gesamtergebnis, nicht um eine einzelne Kennziffer.

 

Wenn das Grundstück so stark beschattet ist, wie haben Sie dann den hohen Tageslichtfaktor erzielt?

Ich muss zugeben, dass es mich selbst sehr überrascht hat, wie viel mehr Tageslicht durch ein Dachflächenfenster ins Haus fällt im Vergleich zu einem Fassadenfenster. Man weiß zwar, dass das Zenitlicht dreimal stärker ist als das Horizontallicht – aber wie sich das im Raum tatsächlich auswirkt, davon macht man sich keine Vorstellung. Aufgrund der starken Beschattung des Grundstücks durch Mauern zu den Nachbargrundstücken und einen sehr hohen Wald, haben wir an den Fassaden, wo konventionelle Häuser Fenster hätten, darauf verzichtet, und statt dessen Dachflächenfenster eingesetzt. Mit großem Erfolg.

Zunächst hatten wir noch Bedenken wegen der, möglichen Energieverluste durch die Dachflächenfenster. Aber diese Bedenken hat die Donau-Universität vollkommen ausgeräumt.

 

Setzen Sie das Gebäude dann nicht der Gefahr der sommerlichen Überwärmung aus?

Mit diesem Thema haben wir uns eingehend beschäftigt und zwei parallele Strategien entwickelt: Zum einen sind alle Fenster mit außen liegendem Sonnenschutz ausgerüstet, das ist absolut unverzichtbar. Dieser Sonnenschutz ist aus perforiertem Textilgewebe und so optimiert, dass die dahinterliegenden Räume hell bleiben. Zum anderen haben wir über Gipsfaserplatten in der Holzkonstruktion des Gebäudes zusätzliche Speichermassen eingebracht. Die Berechnungen der Donau-Universität weisen aus, dass wir damit Klasse A erreichen, d.h. dass die Innentemperatur des Wohnhauses auch in sommerlichen Hitzephasen nicht über 27°C steigen wird.

 

Viele Fenster, viel Tageslicht – und wie stellen Sie die Belüftung der Innenräume sicher, ohne zu hohe Energieverluste zu riskieren?

In diesem Wohngebäude sind zwei Belüftungssysteme kombiniert. In der kalten Jahreszeit nützen wir die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Sobald die Außentemperatur es zulässt, steigt das System automatisch um auf Fensterlüftung. Sensoren messen Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt der Luft und öffnen und schließen die Fenster automatisch. Aber natürlich können die Bewohner auch in diese Systeme eingreifen und die Fenster manuell bedienen.

 

Meinen Sie, dass experimentelle Projekte wie das Sunlighthouse die Architektur im allgemeinen beeinflussen und weiterentwickeln können?

Ja, das denke ich schon. VELUX hat mit diesem Projekt einen Meilenstein gesetzt. Wie oft gibt es schon die Möglichkeit, sich mit einem Einfamilienhaus in dieser Intensität auseinander zu setzen, einen Prototyp zu planen, in allen Details zu berechnen, dann auch wirklich zu bauen und das Ergebnis einem Monitoring zu unterziehen. Und dann auch noch mit den besonderen Ansprüchen an Tageslicht und CO2-Neutralität. Rückblickend bin ich auch froh darüber, dass VELUX dafür ein so schwieriges Grundstück ausgesucht hat – denn wenn es hier gelingen konnte, ein solches Haus zu verwirklichen, dann geht es überall.