17
Juli
2023
|
17:11
Europe/Amsterdam

Kompass weist den Weg zu dreifach geringerem CO2-Fußabdruck

Der Entwurfsprozess auf Basis des Build-for-Life-Kompass-Modells beim Velux Projekt Living Places

Kopenhagen/Hamburg, Juli 2023. Mit dem Projekt Living Places zeigt Velux in Kooperation mit EFFEKT Architects, Artelia Engineers und Enemærke & Petersen, wie nachhaltigeres Bauen schon heute möglich ist. Dem in Kopenhagen realisierten Bauprojekt liegt ein detaillierter, strategischer Entwurfsprozess zugrunde, bei dem jede einzelne Materialentscheidung und Bautechnik auf Basis der Berechnungen für die Auswirkungen auf die Umwelt und Kosten getroffen wurde. Mit der Planung dieser möglichst nachhaltigen und gesunden Gebäude mittels der Nutzung der zugrundeliegenden Analysedaten konnte der Beweis erfolgen, wie gering der CO2-Fußabdruck wirklich ist.

Die Prototypen des Projekts Living Places in Kopenhagen zeigen, wie schon heute nachhaltige Wohngebäude mit einem dreifach geringeren CO2-Fußabdruck und einem dreimal besseren Innenraumklima gebaut werden können. Das von Velux, EFFEKT Architects, Artelia Engineers und Enemærke & Petersen entwickelte Projekt geht aus der 2021 lancierten Architektur-Initiative Build for Life hervor und erforscht interdisziplinär, wie ressourcenschonende Architektur der Zukunft aussehen kann. Im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie will der Dachfensterhersteller Architektur und Bauindustrie mit neuen Impulsen und zukunftsweisenden Ideen zur Entwicklung nachhaltiger und gesunder Gebäude inspirieren, um dem Klimawandel schnellstmöglich entgegenzuwirken.

 

Entwurf nach dem Kompass-Modell

Der Entwurfsprozess von Living Places erfolgte auf Basis des sogenannten Kompass-Modells. Dieses Ende 2021 erstmals bei der Build-for-Life-Konferenz vorgestellte Modell bietet einen schrittweisen Ansatz zur Steuerung des Bau- und Entwicklungsprozesses und ist in die drei Phasen „Strategie“, „Entwurfs-Aspekte“ und „Konkrete Maßnahmen“ gegliedert:

 

Strategie

Jedes neue Bauprojekt beginnt mit einer Bewertung der „strategischen Leitlinien“, die am relevantesten für den Projekterfolg sind und die größten positiven Auswirkungen sicherstellen können. Berücksichtigt werden die sieben Aspekte Flexibilität, Qualität, Umwelt, Gesundheit, Gemeinschaft, Lokalität und Erschwinglichkeit. Die Strategie wird in den frühen Phasen eines Projekts festgelegt. Dies ermöglicht dem Team, in der Folge Ideen und Konzepte an dieser zu messen.

Alle sieben Aspekte flossen bei Living Places in die Strategie ein – ein besonderer Fokus lag auf dem Aspekt „Umwelt“ (Auswirkungen auf Umwelt und Menschen) unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dafür erforderlichen Kosten, um auch die Erschwinglichkeit gewährleisten zu können. Nur so ist der angestrebte Vergleich mit dem aktuell durchschnittlichen Baustandard für ein dänisches Einfamilienhaus zu gewährleisten.

 

Entwurfs-Aspekte

Nach Definition der strategischen Treiber für das Projekt folgt mit den Entwurfs-Aspekten die nächste Phase. Das Kompass-Modell bietet dafür eine breite Palette von je vier Parametern pro strategischer Leitlinie, die in der Entwurfsentwicklung eines Projekts verwendet werden. Die Projektteams greifen damit auf 28 „Entwurfs-Aspekte“ als Input für den Konzeptentwicklungsprozess zurück.

 

Zum Erreichen des strategischen Ziels „Umwelt“ bei Living Places waren damit für das Projektteam die vier folgenden Faktoren bei den Entwurfs-Aspekten von besonderer Bedeutung:

  • Graue Energie durch den Bau
  • Energie im Betrieb
  • Lebenszyklus
  • Materialauswahl

Konkrete Maßnahmen

In der folgenden dritten Phase gilt es, über konkrete Maßnahmen für die Realisierung zu entscheiden, die zur Zielerreichung der Entwurfsaspekte beitragen können. Eine möglichst geringe graue Energie beim Bau lässt sich beispielsweise durch den Einsatz von Materialien mit geringer CO2-Bilanz erreichen. Der Kompass bietet für alle Entwurfs-Aspekte ein umfangreiches Set von gezielten Lösungen und Strategien für die fortgeschritteneren Designphasen. Für jeden der im Bereich Umwelt gewählten vier Entwurfs-Aspekte etwa bietet der Kompass mindestens fünf Maßnahmen, aus denen das Projektteam auswählen kann (siehe Tabelle Kompass-Modell Umwelt). Die Liste stellt sicher, dass die Ambitionen von Phase 1 und 2 in konkrete Lösungen für das Projekt überführt werden.

 

Das Projektteam von Living Places entschied sich für die optimale Zielerreichung auf Materialien mit geringer CO2-Bilanz, biologische Materialien, energieeffiziente Anlagentechnik, optimierte Geschossflächen, erneuerbare Energiequellen, gesunde Materialien und die Reduktion von Emissionen zu setzen. Auf alternative Maßnahmen wie Präsenzmelder oder einem digitalen Zwilling wurde verzichtet.

 

Konkrete Betrachtung des Bauteilaufbaus

Nach Verabschiedung dieses strategischen Gerüsts galt es nun, die Entscheidung für konkrete Bauteilaufbauten zu treffen. Dabei wurde bei Living Places jedes Material, jeder Entwurf und jede Bautechnik sorgfältig unter Berücksichtigung der Kosten dahingehend geprüft, wie die Umweltbelastung verringert und die menschliche Gesundheit verbessert werden kann. Die Auswirkungen auf die Umwelt über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes (über einen Zeitraum von 50 Jahren) wurden anhand des "Global Warming Potential" (GWP) bewertet. Die Klimawirksamkeit von Kohlendioxid dient dabei als Richtgröße (GWP von CO2 = 1). Der GWP-Wert/CO2-Äquivalent gibt jeweils das Treibhauspotenzial eines Stoffes in Relation zu CO2 an.

Durch diesen umfangreichen theoretischen, konzeptionellen und datenbasierten Entwurfsprozess, der die Auswirkungen jeder Designentscheidung konkret aufzeigte, konnte ein erstklassiges Innenraumklima und eine dreifach geringere CO2-Bilanz als durchschnittliche Neubauten in Dänemark erreicht werden – alles mit schon heute vorhandenen Materialien, Technologien und Bauweisen. Die Entscheidung für jede Gebäudekomponente erfolgte dabei von Grund auf mit dem Ziel, die beste Konstellation aus Preis, Innenraumklima und CO2-Bilanz zu finden.

Der Vergleich der im Rahmen der Living Places realisierten Wohngebäude – eines im Brettsperrholzbau, eines als Holzrahmenbau – mit einem heute typischen dänischen Einfamilienhaus zeigt dies deutlich.

Gegenübergestellt werden die verwendeten Bauteile inklusive ihrer Auswirkungen auf die Umwelt beziffert in der Form des "Global Warming Potential" (GWP).

 

Typisches dänisches EFH

[GWP in kg CO₂eq/(m² *a)]

Living Places
Brettsperrholzbau

[GWP in kg CO₂eq/(m² *a)]

Living Places
Holzrahmenbau

[GWP in kg CO₂eq/(m² *a)]

Gründung

Strip foundation in leca and concrete

41

Screw piles

 

21

Screw piles

 

21

Bodenplatte

Heavy concrete deck on polystyrene

73

Lightweight wooden cassette, raised

22

Lightweight wooden cassette, raised

22

Außenwand Konstruktion

Heavy concrete back wall

143

Wooden cassette with cellulose insulation

74

Wooden cassette with cellulose insulation

74

Außenwand Bekleidung

Facade tiles

 

76

Wood cladding, untreated

9

Wood cladding, untreated

9

Innenwände

Aerated concrete


 

52

Wooden frame with wood fiber + 1 x plaster

22

Wooden frame with wood fiber + 1 x plaster

22

Decken 

CLT deck

 

23

Ribbed deck with visible beams

17

Dach Konstruktion

Barred construction with ventilated attic

 

98

Barred construction with ventilated attic

 

98

Lightweight wooden cassette with cellulose insulation

73

Dach Bekleidung

Roof tiles

28

Steelplates, sinus

33

Steelplates, sinus

33

Fenster

Wood / aluminum

windows (incl. 3-layer glass)

77

Wood / aluminum

windows (incl. 3-layer glass)

77

Velux roof windows with aluminum & wood (incl. 3-layer glass)

29

Velux Modular Skylight (incl. 3-layer glass)

16

Wood / aluminum

windows (incl. 3-layer glass)

77

Velux roof windows with aluminum & wood (incl. 3-layer glass)

29

Velux Modular Skylight (incl. 3-layer glass)

16

Photovoltaik

Efficient solar cells from First Solar
12

Highly efficient solar cells from Sunpower

33

Highly efficient solar cells from Sunpower

33

Lüftung

Mechanical ventilation

11

Natural ventilation

 

0

Natural ventilation

 

0

 

Die GWP-Werte in der Tabelle zeigen deutlich, wie hoch das Emissions-Einsparpotenzial bei einer gezielten Planung von Bauprozessen mit heute schon verfügbaren Bauteilen- und Verfahren ist. Die Verwendung des Materials Holz spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Living Places Gebäude selbst sind sogar während des größten Teils ihres Lebenszyklus kohlenstoffnegativ. Das heißt, es wurden biogene Materialien verwendet, die während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes Kohlenstoff speichern. Betrachtet man über die oben aufgezeigten Bauteile hinaus das Gesamtgebäude über einen Zeitraum von 50 Jahren, ergibt sich – von dritter Seite durch AAU BUILD (Aalborg University Department of the built environment) bestätigt – ein dreimal geringerer CO2-Fußabdruck der Living Places Prototypen verglichen mit einem durchschnittlichen dänischen Einfamilienhaus:

·         Typisches dänisches EFH: 11,1 kg CO2 eq/m2/Jahr

·         Living Places Brettsperrholzbau: 3,9 kg CO2 eq/m2/Jahr

·         Living Places Holzrahmenbau: 3,8 kg CO2 eq/m2/Jahr

Die Living Places Prototypen haben damit den niedrigsten CO2-Fußabdruck Dänemarks und ein erstklassiges Raumklima, was beweist, dass wir nicht auf Zukunftstechnologien warten müssen, um schon heute deutlich nachhaltiger Gebäude zu errichten. Häuser, die nach den Grundsätzen von Living Places gebaut werden, können zum dänischen Selbstkostenpreis gebaut werden, ob als Einfamilienhaus, Reihenhaus oder Mehrfamilienhaus. Angesichts der Tatsache, dass die Bauindustrie für 34 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 37 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist, sollte Bauweisen schnellstmöglich entsprechend angepasst werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Materialien und Bauverfahren stehen schon heute zur Verfügung.

 

Living Places in Kopenhagen ist für Interessierte noch bis Ende November 2023 für einen Besuch geöffnet.

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Hintergrundinformation: Details typisches dänisches Einfamilienhaus

Das Benchmark-Haus, mit dem die Living Places Protoypen vergleicht, ist eine Kombination aus einigen Materialien von AAU BUILD und einigen Korrekturen, die Artelia vorgenommen hat, um das Haus an typische neu gebaute Einfamilienhäuser in Dänemark anzupassen.

Als Ausgangspunkt diente das folgende Daten-Material:

·           Die LCAbyg-Datei "Single-family house, example building", die Teil des LCAbyg-Programms ist, das von AAU BUILD veröffentlicht wird.

·           Die Be18-Datei "Example_v10_Parcelhus", die Teil des von AAU BUILD veröffentlichten Be18-Programms (Energierahmenberechnung) ist.

Bei diesen beiden Dateien handelt es sich um Beispiele für Klimafolgen- und Energierahmenberechnungen für neu gebaute Einfamilienhäuser/Doppelhaus-hälften in Dänemark. Beide Dateien basieren jedoch auf einer Wärmepumpenlösung, die nicht die typische Wärmequelle in Dänemark ist. Daher hat Artelia die Dateien auf eine typische Fernwärmelösung umgestellt. Darüber hinaus wurde die Ökobilanzdatei für fehlende Bauprodukte angepasst, insbesondere für die technischen Anlagen, da diese nur in sehr begrenztem Umfang modelliert wurden. Auf der Grundlage von Erfahrungswerten fügte das Projektteam Gebäudeprodukte für Entwässerung, Wasser, Heizung und mechanische Lüftung hinzu, um neu gebaute Einfamilienhäuser abzubilden.

Mit diesen Anpassungen wurde ein Vergleichs-Haus erstellt, das nach Ansicht des Projektteams das typische neu gebaute Einfamilienhäuser in Dänemark widerspiegelt.

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Hinweis für Redaktionen

Medienvertreter:innen mit Interesse an weiterführenden Informationen zu Living Places oder mit Interviewanfragen können sich gern an Faktor 3 wenden: velux@faktor3.de.

  

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