25
September
2013
|
16:18
Europe/Amsterdam

Tageslicht und Nachhaltigkeit

Moderne Architekturkonzepte kommen ohne Energie einsparende Tageslichtnutzung nicht mehr aus. In diesem Punkt war man sich beim Velux Daylight Symposium 2013 in Kopenhagen einig. Im Mai tauschten sich dort Teilnehmer aus Wissenschaft und Lehre sowie Architekten und Lichtdesigner aus der ganzen Welt über die Relevanz von Tageslicht und dessen Nutzen für ein urbanes Umfeld aus.

Zu beobachten ist ein Paradigmenwechsel in der Architekturlandschaft: Tageslicht erhält die Bedeutung zurück, die es in Vergangenheit bis zur Erfindung des elektrischen Lichtes hatte. Mehr noch, die Integration von Tageslichtkonzepten in der Architektur bestimmt die Baukultur. „Form follows energy“ beschreibt Zukunftsforscher Prof. Dr. Brian Cody, Direktor des Instituts für Gebäude und Energie an der Technischen Universität Graz, diesen Trend an Anlehnung an die allgemein bekannt Designphilosophie von Horatio Greenough aus dem Jahr 1852 „Form follows function“. Tageslicht hat die Funktion, die Architektur zur Geltung zu bringen, aber sie auch insbesondere ohne zusätzlichen Energieaufwand auskommen zu lassen. Ein Nullenergiehaus oder gar Plusenergiehaus ist ohne die Nutzung von Tageslicht kaum denkbar.

Der Auslöser für diesen Paradigmenwechsel ist die Notwendigkeit des Energieeinsparens und die politische Absichtserklärung der internationalen Staatengemeinschaft, den CO2-Ausstoß und den damit verbundenen Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur bis zum Jahr 2050 auf zwei Grad zu begrenzen. Dies hört sich zunächst simpel an, bedeutet aber in der Konsequenz, dass wir Energie bis zum Jahr 2020 fünfmal effizienter einsetzen müssen, als wir dies aktuell tun. Selbst wenn die fossilen Brennstoffe länger zur Verfügung stehen, als es vorausgesagt wird, besteht doch die Notwendigkeit, allein aus Klimaschutzgründen sowie der Verantwortung für zukünftige Generationen auf die Nutzung dieser Brennstoffe zu verzichten, wo es möglich ist.

In der Vergangenheit schien das künstliche Licht kostengünstiger und damit wirtschaftlich attraktiver zu sein als die Nutzung des Tageslichtes, insbesondere bei Hochhäusern mit großen Raumtiefen. Doch zeigen sowohl die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte als auch die Berechnungen für die Zukunft unter Berücksichtigung der weltwirtschaftlichen Entwicklung in den aufstrebenden Regionen China, Indien und Südamerika, dass die Produktion von elektrischer Energie weitaus teurer ist als zunächst gedacht. In dem kalkulatorischen Ansatz von atomaren Kraftwerken wurden weder die Endlagerung des atomaren Mülls noch die atomaren Zwischenfälle und deren Umweltkonsequenzen eingerechnet. Auch die Folgekosten der globalen Erwärmung durch den CO2-Ausstoß erscheinen in keiner wirtschaftlichen Berechnung. Die aktuellen Diskussionen über den Ausbau von regenerativen Energien und den erforderlichen modernen Stromnetzen deuten darauf hin, dass die Strompreise und somit die Kosten für die Beleuchtung massiv steigen werden. Die Nutzung lokaler Tageslichtangebote macht damit mehr und mehr Sinn. Es gibt kaum eine einfachere Nutzung als die des Tageslichts, welches durch das Fenster eintritt.

Moderne aufstrebende Architekten machen aus dieser Grundüberlegung eine Tugend. International tätige Architekturbüros wie Lava Architekten, BIG – Bjarke Ingels Group oder 3XN sehen die Kombination der intelligenten Nutzung von Tageslicht und nachhaltiger technischer Ideen als Architektur definierendes Element. Sie sind nicht nur Architekten, sondern auch Zukunftsforscher und Visionäre mit starkem Bezug zur Realität. Ein positives Raumklima in unseren Gebäuden ist keine rein technische Frage, sondern eine Komponente auf der Grundlage der Kombination von Natur und Technik. Kaspar Guldager Jørgensen, Partner und Direktor der GXN, der innovativen Einheit des Architekturbüros 3XN in Kopenhagen, sieht hier eine grundlegende Verantwortung der Architektenschaft für unsere Umwelt. Die Mission von GXN beschrieb er im Mai 2013 auf dem Velux Daylight Symposium als „die Entwicklung einer neuen Baukultur, die einen positiven Effekt auf die Umwelt hat, in der wir leben – dieses sowohl bezogen auf die Architektur und die Umwelt“.

Doch die zukünftige Architektur im Neubau ist eigentlich nur ein Randthema. Wie der US amerikanische Lichtdesigner James Benya im Rahmen des 5. Velux Daylight Symposiums errechnete, stehen jedem aktuellen Neubau etwa 10.000 Bestandsgebäude gegenüber, die durch fehlendes Tageslicht völlig ineffizient sind und durch die nachträgliche Integration von zusätzlichem Tageslicht einen entscheidenden Effekt auf die Energiebilanz von Gebäuden haben kann.

Einzig in der Umsetzung der vorhandenen Möglichkeiten ist die Planerschaft aktuell nicht konsequent genug, obwohl doch mittlerweile genügend Beispiele vorhanden sind, wie es aussehen könnte und dass es funktioniert. Eine empirische Studie von Henning Larssen Architects hat nachgewiesen, dass allein mit einem zielorientierteren architektonischen Design in Hinblick auf die Tageslichtnutzung Energieeinsparungen von 40 bis 50 Prozent erzielt werden können. Signe Kongebro ist Manager der Abteilung für Nachhaltigkeit von Henning Larssen Architects und President der “Sustainable Council of the Danish Association of Architectural Firms”. Kongebro erklärt, dass allein die Berücksichtigung von Sonne, Schatten und Wind als städtebauliche Planungsparameter einen entscheidenden Unterschied in Bezug auf Lichteinfall als auch Wärmeeintrag machen kann. Dieses Wissen basiert ausschließlich auf wissenschaftlichen Fakten und Untersuchungen. Nachhaltiges Bauen beginnt also schon bei der städtebaulichen Planung und der Orientierung am Sonnenstand.

Überraschend ist die Entwicklung im Bereich der Museumsbeleuchtung. In der Vergangenheit war es nahezu undenkbar, dass Museen essenziell mit Tageslicht beleuchtet wurden. Die UV-Strahlung einerseits, das Wärmemanagement und insbesondere die Inszenierung von Kunst und Objekten haben Kuratoren zu der Überzeugung kommen lassen, dass Tageslicht ein Negativfaktor ist. Die jüngsten Beispiele zeigen jedoch, dass durch intelligente Planung und Umbau das Tageslicht durchaus zähmbar ist und als qualitativ hochwertiges Licht genutzt werden kann. Der Kurator des Münchener Umbaus des Lenbachhauses bestand gar auf die Nutzung des Tageslichtes und auch das kürzlich erweiterte Städelmuseum in Frankfurt kommt tagsüber ohne Kunstlicht aus. Der in das Erdreich eingelassene Ausstellungsbereich wird komplett über Dachfenster belichtet. Nur wenn es draußen dunkel wird, muss Kunstlicht zugeschaltet werden, welches in den Dachfenstern integriert ist. Auch international mehren sich die Beispiele von Museumsbauten mit Tageslichtnutzung. Das Akropolismuseum in Athen nutzt das Tageslicht als natürliches Element mit energieeffizienter Wirkung. In New York wird in absehbarer Zeit ein ehemals unterirdisches U-Bahn-Depot in einen öffentlichen Park, den Low Line Park verwandelt. Erneut ist es das Tageslicht, welches über Öffnungen in den Boden eingelassen wird, um den Raum natürlich zu belichten und sogar die Grünanlagen am Leben hält. In Neapel wurde in die Toledo Metro Station, die bis zu 40 Metern unter der Erde liegt, durch mehrere Trichter mit Tageslicht versorgt und trägt gestalterisch wie auch energetisch zur neuen Architekturform bei.

Tageslicht ist kein Baustoff, wie in der Vergangenheit irrtümlicherweise beschrieben wurde. Tageslicht ist eine Ressource, die uns täglich angeboten wird und kostengünstig zur Verfügung steht. Und als solche sollten wir es nutzen und planerisch einsetzen mit dem Ziel, nachhaltige Gebäude nach den Aktivhausprinzipien zu errichten – also Gebäude, in denen Energieeffizienz mit einem besonderen Augenmerk für das Raumklima, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzer sowie die Umwelt kombiniert wird.

von Astrid Unger, VELUX Deutschland GmbH