01
Juni
2008
|
18:03
Europe/Amsterdam

Wohnhaus in Jütland

Harmonie mit Ungleichem

 

 

Die besondere Eigenständigkeit des Entwurfs beginnt bereits beim vieleckigen Grundriss, den Architekt Kolja Nielsen von CEBRA in Arhus als „zusammengesetztes Haus“ erklärt. Den Kern bildet das Haupthaus, das jedoch durch eine Reihe von Anbauten auf den ersten Blick gar nicht als solches zu erkennen ist. Zu jeder Seite gibt es Erweiterungen, die vom Garten aus als spannungsvolle Versprünge und Ecken in der Gebäudefront erlebt werden. Alle Gebäudeteile sind Holzkonstruktionen, nur die Kellerdecke besteht aus Beton.

Die Zedernholzfassade fasst das stark gegliederte Ensemble zu einer Einheit zusammen. Doch auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen eine gekonnte und gewollte Unregelmäßigkeit. Die Bekleidung ist am Haupthaus waagerecht und an allen Anbauten senkrecht orientiert. Vor allem aber gleicht kein Brett in der Breite einem anderen.

 

Abweichend von üblichen Seh-Gewohnheiten präsentieren sich die Fenster ebenfalls in den unterschiedlichsten Formaten und Orientierungen. Über breitgelagerten Fassadenfenstern erheben sich hochkant orientierte Dachwohnfenster und umgekehrt. Keines scheint dabei die gleiche Größe zu haben.

Auf dem Dach haben die Architekten die Idee des fehlenden Gleichmaßes kurzerhand durchbrochen und so verhindert, dass diese spannende Grundidee zu einer Fessel wird. Zwar weisen die beiden Seiten des Satteldachs auf dem Haupthaus sowie jeder der Anbauten eine andere Dachneigung auf. Doch alle Teilflächen sind mit Zinkblechen von konstanter Breite gedeckt. Die sehr bewegte Harmonie des Gebäudes erhält dadurch einen ordnenden oberen Abschluss.

 

Leben mit dem See

Die Villa Upside Down steht in einer von Hügeln und Seen geprägten Landschaft Jütlands, die allein schon wegen ihrer Erhebungen im sonst weitgehend flachen Dänemark von vielen Dänen als schönste Ecke ihres Landes angesehen wird. Erst seit einigen Jahren dürfen dort neben Sommerresidenzen auch Wohnhäuser errichtet werden, was die Bauherrenfamilie 2002 zur Errichtung ihres Domizils inspirierte. Das 850 Quadratmeter große Grundstück liegt in der Nähe von Silkeborg am Sejssee, jedoch in der zweiten Bebauungsreihe. Vom Garten aus ist der See nicht mehr unmittelbar zu sehen.

 

Diese Situation führte zu dem Konzept, das Raumprogramm von oben nach unten zu gliedern. Vom Obergeschoss bietet sich ein faszinierender Blick auf den See und die umgebende Landschaft. Diese Aussicht wollten die Bauherrn nicht nur beim Aufstehen oder Schlafengehen genießen, sondern zu einem ständigen Teil ihres Familienlebens machen, indem sie die tagsüber und abends genutzte Wohnfläche oben im Haus ansiedeln. Wohnzimmer und Küche bilden im Obergeschoss einen gemeinsamen Raum ohne Trennwand, der die gesamte Fläche des Haupthauses – abzüglich eines kleinen Bades – einnimmt. Das klingt für deutsche Verhältnisse nach sehr viel Platz, weil es sich aber um ein typisch dänisches Haus handelt, misst die Grundfläche im Dachgeschoss lediglich 40 Quadratmeter. Trotzdem wirkt die Kombination aus Wohnzimmer und Küche ausgesprochen großzügig, was vor allem an den geschickt angeordneten und reichlich Tageslicht einlassenden Fenstern liegt.

 

Panorama und gerahmte Blicke

Die Orientierung zum See gab die Positionen des Balkons und des komplett verglasten Giebels mit der Balkontür vor. Diese nach Süden ausgerichtete Fensterfront ist nicht symmetrisch, was für die Villa Upside Down ja einen Rückfall in die Konvention der Regelmäßigkeit darstellen würde. Das Dreieck des verglasten Giebels ist ungleichschenklig und betont so die unterschiedlichen Neigungen der beiden Seiten des Satteldachs. Die Ansicht und die Aussicht sind zudem durch den Schornstein unterbrochen, der an dieser ungewöhnlichen Stelle steht, damit auf dem Balkon ein Grillplatz mit Kaminanschluss seinen Platz finden konnte.

Die volltransparente Südseite findet am Nordgiebel ihren drastischen Kontrapunkt in einem einzigen kleinen Fenster. Der fast schon winzig zu nennende Lichtfleck kommentiert zwar sein Gegenüber, für die Versorgung mit Tageslicht bis in die Tiefe des Raums spielt er aber kaum eine Rolle. Dies übernehmen vielmehr die insgesamt drei Kombinationen von VELUX Dachwohnfenstern.

 

Eine eher konventionelle Lösung bilden dabei die nebeneinander angeordneten beiden Fenster im Küchenbereich, die – mit selbstverständlich verschiedener Größe – der funktionalen Beleuchtung des Koch- und Arbeitsbereichs dienen. Für die außergewöhnliche Stimmung im Dachraum sorgen vor allem die beiden senkrecht angeordneten Fensterbänder in den Dachschrägen. Die diagonale Positionierung auf der Nordwest- sowie der Südostecke prägt den architektonischen Dialog zwischen ihnen, der zusätzliche Spannung aus den ungleichen Längen der Fenster bezieht, die sich wiederum aus den unterschiedlichen Dachneigungen ergeben.

Während sich am Südgiebel ein weites, fast unbegrenztes Panorama auf den See bietet, scheinen die beiden senkrechten Kombinationen der Dachwohnfenster den Blick auf den üppig-grünen Garten streng zu fassen und einzurahmen. Fast so, als würde man eine Landschaftsmalerei des frühen 19. Jahrhunderts von oben betrachten.